Abschnittsübersicht

  • MARGINALISIERTE MÄNNLICHKEIT

     

    Ketzer, Bettler, Gaukler, Aussätzige -  auch das Mittelalter kennt marginalisierte Männlichkeiten. Connell nennt Marginalisierung ein Ergebnis von Dominanz, doch im Mittelalter sind Randgruppen nicht nur marginalisiert, sie sind aus der göttlichen Ordnung ausgeschlossen.

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    • Hl. Sebastian (Bearbeiterin: Almudena Cañadas)

      Ein männlicher Heiliger?

      Die Legenda aurea erzählt, dass der Heilige Sebastian ein tapferer römischer Soldat war, der seinem Glauben an Christus nicht abschwören wollte und dafür als Märtyrer starb. Was konnte geschehen sein, damit diese Figur, die im Mittelalter als ein Krieger repräsentiert wurde, jetzt als ein an einem Baum angebundener nackter Mann mit einer fast androgynen Schönheit gezeigt wird? Weshalb scheint er nicht zu leiden, obwohl er gemartet wird? Almudena Cañadas analysiert hier die Gründe, warum ein Mensch marginalisiert wird, wenn er wehrlos aussieht und die Erwartungen nicht erfüllt, die an ihn gestellt werden. Außerdem vergleicht sie die Darstellung des Heiligen Sebastian auf diesem Gemälde mit der von Roland im Rolandslied im Bezug auf ihre Facetten als Märtyrer und Krieger.

    • Sebastian ist eine prominente Figur unter den Märtyrern. Er wurde immer für ein interessantes ästhetisches Motiv gehalten. Auffallend ist, dass er je nach Epoche auf verschiedene Weise abgebildet wurde.

    • Wenn körperliche und soziale Transgressionen der Geschlechtergrenzen und Abweichungen von den Geschlechteridentitäten stattfinden, spricht man von einer marginalisierten Maskulinität. Da der Heilige Sebastian in dieser Darstellung die Erwartungen an einen Mann und Soldaten nicht erfüllt, wird er durch die Marginalisierung sanktioniert.

    • Hier werden etliche Beispiele aus dem Rolandslied des Pfaffen Konrad erwähnt, die auffallenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Figuren von Roland und dem Heiligen Sebastian zeigen, und dementsprechend zwischen ihren Facetten als Krieger und Märtyrer.

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    • Hl. Sebastian & Hl. Rochus (Bearbeiterin: Jingwen Zhang)

      Die Pestheiligen und marginalisierte Männlichkeit

      Das Gemälde aus dem Historischen Museum Bambergs zeigt Heiligen Sebastian nach seinem Pfeilmartyrium und den an der Pest erkrankten Heiligen Rochus. Doch weshalb werden die zwei Heiligen miteinander dargestellt, obwohl sie keine Zeitgenossen sind? Welche Männlichkeit deuten sie an? Welche Verbindung solcher Männlichkeit zur mittelalterlichen Literatur gibt es? Jingwen Zhang erzählt Ihnen zuerst die Geschichte beider Heiligen und versucht darauf folgend die dargestellte Männlichkeit zu analysieren und die Verbindung zur mitteralterlichen Literatur herauszufinden.

    • Wer ist der Heilige Sebastian und Heilige Rochus? Welche Verbindung haben sie mit dem Bamberger Bischof Friedrich von Hohenlohe? In diesem Kapitel wird auf die Hintergrundinformation des Objekts eingegangen.

    • Heiligkeit und marginalisierte Männlichkeit sind Thema dieses Kapitels. Wieso vollendet das Martyrium die Heiligung? Weshalb werden diese zwei Heiligen als marginalisierte Männlichkeit betrachtet? Hier finden Sie die Antworten.

    • Die Verbindung des Objekts mit der in der Legenda aurea dargestellten Männlichkeit und Hartmann von Aues Verserzählung Der arme Heinrich wird hier geklärt.

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    • Bacchus. (Bearbeiterin: Mariya Deputatova)

      "Er ist kein Schwächling, sondern Triumphator".

      Walter F. Otto (1874-1958), deutscher Altphilologe.

      Nackter Bacchus: androgyne Schönheit oder triumphierende Göttlichkeit.

      Nackt ist nicht gleich nackt. Wenn der weibliche Körper erotisch konnotiert wird, zeigt die männliche Körperlichkeit vielfältige Bedeutungen auf. Im Laufe der Kulturgeschichte wandelte sich die Wahrnehmung und Darstellungsweise der männlichen Nacktheit.

      Was kann der nackte Bacchus Körper über den Weingott aussagen? Ein schöner, seliger Jüngling oder wahnsinniger Gott, der die Menschen in Raserei versetzt? Ist in mittelalterlicher Literatur, als Nacktheit mit dem Sündenfall gleichgesetzt war, die Verbindung mit dionysischer Nacktheit und Kult zu finden?

      Im Folgenden analysiert Mariya Deputatova diese Fragen und versucht die Vielfältigkeit sowohl der männlichen Nacktheit als auch der dionysischen Natur zu zeigen.

       

    • Die Darstellungen der nackten Männlichkeit in verschiedenen Epochen bilden eine vielfältige Körpergeschichte. Durch Antike, Mittelalter und Renaissance veränderte sich die Bedeutung der männlichen Blöße. Vor allem die renaissancistische Auseinandersetzung mit dem nackten Körper sowie mit den mythologischen Themen bei italienischen und deutschen Meistern ist für die Interpretation des vorliegenden Gemäldes von großer Bedeutung. 

    • Die dionysische Natur lässt sich nicht eindeutig interpretieren. Einerseits zeigt Bacchus weibliche Elemente und wurde in antiker Literatur von Aechilus sowie Europides als "frauenhafter Fremdling" bezeichnet. Andererseits erscheint Bacchus unter den Menschen gewalttätig und als Triumphator. So analysiert dieses Kapitel, wodurch sich die vorliegende Darstellung von Bacchus auszeichnet und inwiefern der dionysische nackte Körper marginalisiert wirkt.

    • Weinrausch, Wahnsinn und Nacktheit kommen im dionysischen Kult in Verbindung. In diesem Buch werden die Beispiele aus Carmina Burana und Hartmanns von Aue Iwein erwähnt, die Relation zwischen diesen drei Elementen zeigen. Im vorliegenden Bild stellt dionysischer Körper die Schönheit des männlichen Körpers dar. So wird im Weiteren auch das Thema des männlichen Körpers als Blickobjekt am Beispiel Gottfried von Straßburgs Tristan und Isolde analysiert.

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    • Spottfiguren (Bearbeiterin: Elisabeth Stratmann)

      Spott für den kleinen Mann!?

      Die beiden Spottfiguren sind groteske Darstellungen von kleinwüchsigen Männern. Sie sind keine "echten" Kerle, denn sie sehen lächerlich aus mit ihren unproportional großen Köpfen und herausgestreckten Zungen. Daher rufen sie Spott hervor.

      Spott begegnet uns in den verschiedensten Formen- in Parodien, Karikaturen, beim Karneval...

      doch welches Ziel verfolgt dieser Hohn?

      Denkt der Spötter wirklich er sei dem Verspotteten überlegen?

      Oder verbirgt sich eine gewisse Angst hinter seinen Witzen?

    • Im ersten Teil findet sich eine Beschreibung der beiden Spottfiguren. Außerdem wird gezeigt, wo man ähnliche Figuren finden kann.

    • Im zweiten Teil wird erörtert, wie die Spottfiguren marginalisierte Männlichkeit darstellen. Im Mittelalter gehörten die dörper und die Narren zu der marginalisierten Gruppe von Männern - sie wurden verspottet.

    • Im dritten Teil soll nun gezeigt werden, dass Spottfiguren in ganz ähnlicher Gestaltung schon in der mittelalterlichen Literatur auftraten. In Neidharts Liedern werden die dörper verspottet und im Erec, Ortnit und Tristan kriegt der Zwerg den Spott ab.