1. Äußeres


Beim Betrachten dieses Gemäldes lässt sich ein Vergleich zwischen dem Heiligen Sebastian und Apollo ziehen:
Beide haben gemeinsam, dass sie als schöne, junge Männer dargestellt werden und die gleichen Attribute, und zwar den Bogen und die Pfeile, besitzen. Deshalb könnte man die Schönheit des Heiligen Sebastian als apollinisch bezeichnen.

Außerdem ist es offensichtlich, dass, obwohl die Figur einen Bart hat, ihr Aussehen in diesem Gemälde feminisiert wird. Diese eindeutige Effeminierung des Körpers attackiert selbstverständlich seine Maskulinität. Man könnte sogar sagen, dass diese Repräsention des Heiligen Sebastian die Geschlechtergrenzen überschreitet und sein Leib androgyn erscheint. Hier gibt es eine neue Analogie zu Christus, da in den Bildern von Christus diese undeutliche Geschlechterdifferenzierung ebenfalls kennzeichnend ist. Daraus lässt sich folgern, dass der Heilige Sebastian Christus sowohl in seinen Taten als Märtyrer als auch im Aussehen nachfolgt.

Eine weibliche und androgyne Äußerlichkeit gehört also zu einer marginalisierten Männlichkeit, weil sie von den Inszenierungen der Maskulinität abweicht; vor allem von dem männlichen Ideal des Mittelalters, die man in Rolandslied finden kann. 

Aber nicht nur das Äußere, sondern auch das Innere spielt auf eine marginalisierte Männlichkeit an.

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Bennewitz, Ingrid: Genderdiskurse und Körperbilder im Mittelalter. Eine Bilanzierung nach Butler und Laqueur. Münster 2002.

Bohde, Daniela: Haut, Fleisch und Farbe. Körperlichkeit und Materialität in den Gemälden Tizians. Emsdetten 2002.

Burns, Norman T.: Concepts of the hero in the Middle Ages and the Renaissance. London 1976.

Bynum, Caroline W.: Fragmentierung und Erlösung. Frankfurt am Main 1996.

Cadden, Joan: Meanings of sex difference in the Middle Ages: medicine, science and culture. Cambridge 1993.

Cullum, Patricia H.: Holiness and masculinity in the Middle Ages. Cardiff 2005.

Hadley, Dawn M.: Masculinity in medieval Europe. London 1999.