2. Gregorianischer Choral

2.1. Der Choral

Seit die Kirche in Rom ab dem 4. Jahrhundert frei von Verfolgung war, konnte sich der Gottesdienst in einer neuen Pracht entfalten. Deshalb entwickelte sich die schola cantorum, eine Gruppe von zwanzig Geistlichen, die ihre stimmlichen Fähigkeiten in den Dienst der Kirche stellten, um die Liturgie auszuschmücken. 

Sie arbeiteten im 5. / 6. Jahrhundert eine Sammlung an religiöser Musik aus. Bestehende Musikstücke wurden umgearbeitet, so dass sie nun nicht mehr nur für einen Solisten geeignet waren, sondern von der schola aufgeführt wurden und ausgeschmückter waren. Zusätzlich wurden neue Kompositionen geschaffen, um den Gottesdienst in den großen Bauwerken eindrucksvoll zu gestalten. Als Gregor Papst wurde, war die Ausarbeitung der Melodien bereits abgeschlossen, dennoch wurde er Namensgeber der Choräle, da er die schola cantorum unterstützte, weitere Gesänge sammelte und für ihr Fortbestehen sorgte.

Nördlich der Alpen trug Pippin der Jüngere dazu bei, dass die Choräle auch hier Gehör fanden, denn er wollte durch sie die Einheit seiner Kirche stärken. Ebenso Karl der Große, der die römische Liturgie mit Nachdruck durchsetzte. So trafen im 8. Jahrhundert die römische und die gallikanische (gallikanisch bezeichnet die Kirche des Frankenreichs, die im 8. Jahrhundert noch weitgehend autonom war) Tradition aufeinander, weshalb es zur Vermischung der Gesänge kam und die römisch-fränkischen Choräle entstanden.

Da die Melodien nach Gehör gesungen und mündlich überliefert wurden, hielt man nur die Texte fest und notierte keine Tonzeichen. Dies änderte sich mit dem 9. Jahrhundert, denn ab dieser Zeit begann man die Melodie mit Neumen festzuhalten.

Die Entwicklung der Notation ist mit dem Rückgang der Mündlichkeit verbunden. Vorher sang man aus dem Gedächtnis, nun griff man auf Bücher zurück, um sich auf den Gesang vorzubereiten, was zur Folge hatte, dass der Interpret nicht mehr die freie Stimmführung erreichte, sondern sich an die vorgegebene Melodie hielt: Ein Umbruch in der Musikgeschichte, mit dem eine neue Etappe beginnt.

AL_Domine_Deus.mp3   (Ein Beispiel für die Darbietung eines Chorals)


Literatur:

Hodes, Karlheinrich: Der gregorianische Choral. Eine Einführung, Darmstadt 1979.
 
Saulnier, Daniel: Gregorianischer Choral. Grundlagen und Praxis. Sankt Ottlilien 2011.
 
Gräf, Dietmar: Der Choral Gregors des Großen. Ein Beitrag zur Didaktik des Gregorianischen Chorals. Frankfurt a.M. 1994.
 
Lied: http://musicfortheliturgy.org/MP3/EX_P_12Sn_t4_domine_deus_TRIORS.mp3
 
 Bild: http://gemeinden.erzbistum-koeln.de/st_aposteln/Musik/Gregorianik.html