2. Interpretation und Männlichkeit des Objekts

Website: Virtueller Campus: eLearning-System der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Kurs: Rivalisierende Männlichkeiten
Buch: 2. Interpretation und Männlichkeit des Objekts
Gedruckt von: Gast
Datum: Montag, 6. Mai 2024, 10:51

Beschreibung

Hier soll das Gemälde im Hinblick auf die Legenden und die darauf sichtbare Männlichkeit erschlossen werden

1. Legenden

In der Legenda Aurea lassen sich viele Legenden über den Heiligen Gregor finden, die seine Demut, Mildtätigkeit, Großzügigkeit und Gottesachtung betonen.

Eine der bekanntesten Legende über Papst Gregor berichtet von einer Hostienbäckerin, die nicht mit ganzem Herzen glaubte und Papst Gregor konnte sie bekehren. Diese Frau backte die Hostien für die Heilige Messe, brachte sie in die Kirche und als ihr Gregor während der Wandlung eine darbot und sprach: „Der Leib unseres Herrn Jesu Christi, der helfe dir zu dem ewigen Leben“[1] lachte sie. Der Papst erschrak darüber, legte die Hostie auf den Altar und stellte die Frau vor allen Leuten zur Rede. Sie erklärte, dass sie wüsste, dass das Brot, dass er Leib Christi nenne, nur Brot ist, da sie es gebacken habe. Aufgrund des Unglaubens der Frau fiel Gregor auf die Knie und betete für das Seelenheil der Bäckerin. Als er sein Gebet beendet hatte, sah er, dass sich ein Teil des Brotes in Fleisch verwandelt hatte. Daraufhin glaubte die Frau. Papst Gregor betete erneut, woraufhin das Fleisch wieder zu Brot wurde, er reichte es der Bäckerin und verhalf ihr so zu neuer Glaubensstärke. Gregor zeichnete sich, wie bereits im Kurzabriss seines Lebens beschrieben, dadurch aus, dass er den katholischen Glauben verbreiten und stärken wollte. Das zeigt sich auch in dieser Legende, außerdem wird noch deutlich gemacht, wie sehr Gott hinter Gregor steht, denn er verwandelt die Hostie in Fleisch und hilft so die Frau zu bekehren.

Weitere Legenden besagen, dass Papst Gregor in engem Kontakt zum Heiligen Geist stand, weshalb er, auf Bildern, immer wieder mit einer Taube, die den Heiligen Geist symbolisiert, dargestellt wird. So sagt man, dass der Heilige Geist Gregor während der Auslegung der Bibel, oder einzelner Stellen, inspiriert haben soll. Dieses Motiv lässt sich auch in dem Gemälde „Der Heilige Gregor  im Chormantel unter dem Einfluss des Heiligen Geistes die Bibel auslegend“ erkennen, denn während Gregor noch in der Bibel liest, kommt der Heilige Geist, in Form einer Taube, über ihn und unterstützt ihn bei der Auslegung der Bibelstellen. Der Heilige Geist soll Papst Gregor nicht nur in dieser Situation unterstützt haben, sondern auch, als Gregor angeblich die Choräle verfasste, denn diese Gesänge werden als das gesungene Wort Gottes verstanden, was der Heilige Geist diktiert haben soll.



[1]              Legenda Aurea, S. 230.

 

Literatur:

Jacobus de Voragine: Die Legenda aurea. Hrsg. v.: Richard Benz. Köln 1969.
Bild: http://www.summorum-pontificum.de/archiv/index_08_07.shtml

 

2. Gregorianischer Choral

Der gregorianische Choral hat seine Ursprünge in Rom und wird auf Papst Gregor zurückgeführt, der dem Gesang auch seinen Namen gab.

1. Choral

2. Neumen

2.1. Der Choral

Seit die Kirche in Rom ab dem 4. Jahrhundert frei von Verfolgung war, konnte sich der Gottesdienst in einer neuen Pracht entfalten. Deshalb entwickelte sich die schola cantorum, eine Gruppe von zwanzig Geistlichen, die ihre stimmlichen Fähigkeiten in den Dienst der Kirche stellten, um die Liturgie auszuschmücken. 

Sie arbeiteten im 5. / 6. Jahrhundert eine Sammlung an religiöser Musik aus. Bestehende Musikstücke wurden umgearbeitet, so dass sie nun nicht mehr nur für einen Solisten geeignet waren, sondern von der schola aufgeführt wurden und ausgeschmückter waren. Zusätzlich wurden neue Kompositionen geschaffen, um den Gottesdienst in den großen Bauwerken eindrucksvoll zu gestalten. Als Gregor Papst wurde, war die Ausarbeitung der Melodien bereits abgeschlossen, dennoch wurde er Namensgeber der Choräle, da er die schola cantorum unterstützte, weitere Gesänge sammelte und für ihr Fortbestehen sorgte.

Nördlich der Alpen trug Pippin der Jüngere dazu bei, dass die Choräle auch hier Gehör fanden, denn er wollte durch sie die Einheit seiner Kirche stärken. Ebenso Karl der Große, der die römische Liturgie mit Nachdruck durchsetzte. So trafen im 8. Jahrhundert die römische und die gallikanische (gallikanisch bezeichnet die Kirche des Frankenreichs, die im 8. Jahrhundert noch weitgehend autonom war) Tradition aufeinander, weshalb es zur Vermischung der Gesänge kam und die römisch-fränkischen Choräle entstanden.

Da die Melodien nach Gehör gesungen und mündlich überliefert wurden, hielt man nur die Texte fest und notierte keine Tonzeichen. Dies änderte sich mit dem 9. Jahrhundert, denn ab dieser Zeit begann man die Melodie mit Neumen festzuhalten.

Die Entwicklung der Notation ist mit dem Rückgang der Mündlichkeit verbunden. Vorher sang man aus dem Gedächtnis, nun griff man auf Bücher zurück, um sich auf den Gesang vorzubereiten, was zur Folge hatte, dass der Interpret nicht mehr die freie Stimmführung erreichte, sondern sich an die vorgegebene Melodie hielt: Ein Umbruch in der Musikgeschichte, mit dem eine neue Etappe beginnt.

AL_Domine_Deus.mp3   (Ein Beispiel für die Darbietung eines Chorals)


Literatur:

Hodes, Karlheinrich: Der gregorianische Choral. Eine Einführung, Darmstadt 1979.
 
Saulnier, Daniel: Gregorianischer Choral. Grundlagen und Praxis. Sankt Ottlilien 2011.
 
Gräf, Dietmar: Der Choral Gregors des Großen. Ein Beitrag zur Didaktik des Gregorianischen Chorals. Frankfurt a.M. 1994.
 
Lied: http://musicfortheliturgy.org/MP3/EX_P_12Sn_t4_domine_deus_TRIORS.mp3
 
 Bild: http://gemeinden.erzbistum-koeln.de/st_aposteln/Musik/Gregorianik.html

 

2.2. Neumen

Neumen sind graphische Zeichen, die zur Notation der Melodie der Neumennotationgregorianischen Choräle verwendet wurden. Meist stehen sie direkt über dem zu singenden Text.

In der Musikwissenschaft unterscheidet man zwischen frühen, sog. adiastematischen Neumen und späteren sog. diastematischen Neumen.

Adiastematische Neumen geben keine Intervalle an, sondern nur rhythmische Werte und individuelle Nuancen innerhalb einer Neume. Dafür werden meist noch Angaben zu Tempo und Dynamik gemacht.

Diastematische Neumen machen die Melodiebewegung durch Intervalle sichtbar, jedoch wurden die Tonhöhe, Tempo und Rhythmik nicht notiert, sodass es interpretatorische Feinheit bleibt. Diese Neumen orientieren sich bereits an frühen „Notenlinien“ (Vgl. Abbildung)

Es gibt noch weitere spezielle Formen der Neumennotation, die aber auf diese Grundformen zurückgehen, weshalb der kurze Einblick genügen soll.


Literatur:

Saulnier, Daniel: Gregorinischer Choral. Grundlagen und Praxis. Sankt Ottilien 2011.

 

Bild:

http://www.google.de/imgres?um=1&hl=de&biw=1366&bih=601&tbm=isch&tbnid=_-l80fTC3zepzM:&imgrefurl=http://gregorianischer-choral.blogspot.com/2012/08/12-sonntag-nach-pfingsten-alleluja.html&docid=r8cb4kQ_8SUAPM&imgurl=http://1.bp.blogspot.com/-5FZ_QzJUlI/UC1OqBWOktI/AAAAAAAAAi0/QNINKnTDJ80/s1600/Alleluia.png&w=478&h=402&ei=HuQ5Uf75MfOQ4gSIq4CoCw&zoom=1&iact=rc&dur=292&page=1&tbnh=119&tbnw=146&start=0&ndsp=21&ved=1t:429,r:2,s:0,i:83&tx=85&ty=53

3. Männlichkeit

Die Gender-Forschung beschäftigt sich schon lange mit Weiblichkeit und ihren verschiedenen Darstellungsformen in Literatur, Kunst und Kultur. Ebenso geht sie aber auch auf Männlichkeit ein. Welche verschiedenen Formen der Männlichkeit sich im Gemälde „Der Heilige Gregor im Chormantel unter dem Einfluss des Heiligen Geistes die Bibel auslegend“ erkennen lassen, soll nun erörtert werden:

Betrachtet man das Gemälde, sticht zunächst vor allem die Geistlichkeit ins Auge, was nicht verwunderlich ist, denn es handelt sich hierbei um die Darstellung eines Papstes. Doch wie wird Geistlichkeit inszeniert, sodass sie auch noch als Männlichkeit erkennbar ist?

 

 


Literatur:

Burns, Jane: Courtly Love Undressed. Reading through clothes in medieval french culture. Pennsylvania 2002.

Connell, R.W.: Der gemachte Mann. In: Gender Studies. Hrsg. v.: Franziska Bergmann, Franziska Schößler, Bettina Schreck. Bielefeld 2012.

Martschukat, Jürgen, Stieglitz, Olaf: Geschichte der Männlichkeit. Frankfurt a.M. 2008.

 

3.1. Geistlichkeit durch Verhüllung des Körpers

 In der ForschPapst Gregor, hier ohne Bart ung werden für das Mittelalter drei ständische Formen der Maskulinität unterschieden: Herrscher/ Ritter, Bauern und Geistliche.

Auf dem Bild wird auf den ersten Blick klar, dass Gregor, auch wenn man vorher noch nichts von ihm weiß, der Kategorie der Priester oder Geistlichen zugeordnet werden muss, denn er ist mit eindeutigen Symbolen gekennzeichnet (Mantel, Pluvialschließe, Kamauro). Geistlichkeit, die mit dem Zölibat verbunden ist, bedeutet aber gleichzeitig auch eingeschränkte Männlichkeit. Er muss seine Triebe stark kontrollieren, gebildet sein und bei der Wahl seiner Kleidung die Körperlichkeit nur dezent sichtbar machen, denn er soll vornehmlich als Geistlicher wahrgenommen werden und nicht so sehr als Mann. Dies kann man auch bei Papst Gregor sehen:

Sein gesamter Körper (außer der Kopf, denn der wird vom Kamauro bedeckt) wird vom riesigen Chormantel verhüllt, der die Figur nahezu geschlechtslos erscheinen lässt. Wäre den Betrachtern  nicht bewusst, dass es sich um einen Mann handeln muss, da Frauen keine katholischen Priestergewänder tragen, könnte man die Person auch für eine Frau halten. So wird Gregor auf diesem Bild ohne die Darstellung geschlechtlicher Merkmale gezeichnet, was vermutlich auch so beabsichtigt war, denn Geistliche sollten nicht als Männer, sondern als Diener Gottes angesehen werden. Dass Gregor ohne Bart gezeigt wird, verstärkt den Eindruck des gläubigen, aber wenig männlichen Mannes zusätzlich.


Literatur:

Burns, Jane: Courtly Love Undressed. Reading through clothes in medieval french culture. Pennsylvania 2002.

Connell, R.W.: Der gemachte Mann. In: Gender Studies. Hrsg. v.: Franziska Bergmann, Franziska Schößler, Bettina Schreck. Bielefeld 2012.

Martschukat, Jürgen, Stieglitz, Olaf: Geschichte der Männlichkeit. Frankfurt a.M. 2008.

Bild (Papst Gregor mit Bart): http://www.ewige-anbetung.de/Wunder/Gregor_der_Grosse/Gregor_der_Grosse_2.jpg.

3.2. Papst Gregor als Ritter, Herrscher oder nur Kleriker?

Gregor stellt das Gegenteil eines Ritters dar. Ritter definieren sich durch ihr kraftvolles Auftreten, eine Rüstung, ihr Pferd oder ihre Waffen. Papst Gregor I. wird zwar nicht ohne Waffen dargestellt, jedoch sind es keine Schwerter oder Lanzen, denn Heilige werden meist mit ihren Attributen dargestellt. Im Fall Gregors, mit der Bibel und dem Heiligen Geist, diese dienen ihm als Waffen des Glaubens. Er kämpft mit ihnen für die Verbreitung und Stärkung des Christentums, wie ein Ritter gegen Feinde, „bekämpft“ er die Ungläubigen und die Zweifler. Deshalb unterscheiden sich Kleriker nicht so sehr von Rittern, wie man zuerst denken könnte, denn auch sie treten für ihre Interessen ein, nur dass sich diese von denen der Ritter unterscheiden.

Der Heilige Papst Gregor kann zudem noch als Herrscher gesehen werden, denn als Kirchenoberhaupt hatte er im Mittelalter ebenso viel Macht wie ein Kaiser, da er für dessen Krönung verantwortlich war.

Somit kann man sagen, dass Geistliche einen gesondert zu betrachtenden Bereich der Männlichkeit bilden, da sie zwar Männer sind, ihre Geschlechtsmerkmale nicht zur Schau stellen, um nur in ihrer Funktion als Kleriker wahrgenommen zu werden. Trotzdem kann man sie nicht der marginalisierten Männlichkeit zuordnen, da sie für den Glauben kämpfen, Herrscher sein können und vor der göttlichen Ordnung bestand haben, auch wenn ihre Männlichkeit hinter der Geistlichkeit zurücktritt.


Literatur:

Burns, Jane: Courtly Love Undressed. Reading through clothes in medieval french culture. Pennsylvania 2002.

Connell, R.W.: Der gemachte Mann. In: Gender Studies. Hrsg. v.: Franziska Bergmann, Franziska Schößler, Bettina Schreck. Bielefeld 2012.

Martschukat, Jürgen, Stieglitz, Olaf: Geschichte der Männlichkeit. Frankfurt a.M. 2008.

Bild "Ritter": http://www.jadu.de/mittelalter/ritter/text/rittertum.html