Breslau/Wrocław ist ein zentraler, jedoch oft vergessener Ort der deutschen und polnischen Literaturgeschichte. Einst ein Zentrum des deutschen literarischen Barocks und Heimat der „Breslauer Dichterschule“, war die Stadt Geburts- und Wirkungsort bedeutender Intellektueller wie Norbert Elias, Edith Stein und Dietrich Bonhoeffer. Nach 1945 wurde Wrocław zum neuen Standort der polnischen Nationalbibliothek (Ossolineum) und zum literarischen Zentrum bedeutender Autoren wie Tadeusz Różewicz und der Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk. Seit den 1990er Jahren wächst in Polen das Interesse an der deutschen Vergangenheit der Stadt, was sich auch in der Literatur widerspiegelt. Schriftsteller wie Andrzej Zawada, Olga Tokarczuk, Piotr Adamczyk und Jacek Inglot setzen sich literarisch mit Wrocławs/Breslaus wechselhafter Geschichte auseinander. Besonders in der Kriminalliteratur wird es als historische Kulisse lebendig – von Marek Krajewskis „Śmierć w Breslau“ (Tod in Breslau, 1999) bis zu Nadia Szagdajs „Kroniki Klary Schulz“ (Chroniken der Klara Schulz). Auch in der deutschen Literatur bleibt Breslau präsent. Monika Taubitz, „die schlesische Stimme der zeitgenössischen deutschen Literatur“, widmet sich der Stadt ihrer Kindheit in Lyrik und Prosa. In Wolf Kampmanns Roman „Schuhbrücke“ (2016) wird die Geschichte Breslaus zwischen 1923 und 1945 lebendig.
Einige Stunden südöstlich von Wrocław, in Krakau, sind auf dem Wawel-Hügel die polnischen Könige und Nationaldichter begraben. Krakau lag bis 1918 in der habsburgischen Verwaltungseinheit Galizien, hier entfaltete sich um 1900 eine spektakuläre Jugendstilkultur (Młoda Polska) – man denke an die Theaterstücke, Gemälde, Zeichnungen und Kirchenfenster von Stanisław Wyspiański. Der Krakauer Stadtteil Kazimierz ist der Erinnerungsort par excellence jüdischer Kultur und Literatur auf Jiddisch in Polen. In der ganzen jüdischen Welt singt man die Dichtung und die Kompositionen von Mordechai Gebirtig: Gebirtig war ein polnischer Jude, 1877 in Krakau geboren und dort 1942 im Krakauer Ghetto von SS-Männern auf die Straße gezerrt und erschossen.
Als der Dichter Czesław Miłosz – er hatte während der deutschen Okkupation einst in Warschau im künstlerischen Untergrund gewirkt – nach der Wende Anfang der 1990er Jahre aus dem kalifornischen Berkeley nach Polen zurückkehrte, wählte er die „Poesiestadt“ Krakau. „Ich schwebe über Krakau“, heißt es bei Miłoszs jüngerem Kollegen Adam Zagajewski; auch während des „grauen“ Sozialismus hatte die Stadt ihre Aura als Sehnsuchtsort nicht verloren. In diesem slavistisch-germanistischen Seminar wollen wir die beiden Städte Südwestpolens kultur-, literatur- und ideengeschichtlich erkunden. Die polnischen Texte werden auf VC jeweils in deutscher Übersetzung zur Verfügung gestellt.
Während der im Mai (11.–16.05.2025) stattfindenden gemeinsamen Exkursion nach Wrocław und Krakau werden wir die literarischen Orte auch städtegeschichtlich kennenlernen (Anmeldung zur Exkursion: christian.zehnder@uni-bamberg.de , iris.hermann@uni-bamberg.de ).
- Moderator/in: Eugeniya Ershova
- Moderator/in: Iris Hermann
- Moderator/in: Christian Zehnder
Fedor Dostoevskijs Idiot (1869), der zweite seiner fünf großen Romane, gehört zu den Höhepunkten seines Werkes und der Epoche des russischen Realismus. Fürst Lev Nikolaevič Myškin – der „Idiot“ – ist eine der faszinierendsten (Anti-)Helden der Weltliteratur. Der an Epilepsie leidende Myškin kehrt von einer jahrelangen Behandlung in der Schweiz nach Russland zurück und bringt mit seinem liebenden, scheinbar naiven Wesen die Gesellschaft durcheinander. Dostoevskij wollte in der Figur einen „positiv schönen Menschen“ (položitel′no prekrasnyj čelovek) darstellen. Was heißt das? Was bedeutet die von Myškin vage geäußerte Idee, dass nur „die Schönheit die Welt erretten“ könne (mir spasët krasota)? Ist der Idiot einе moderne Christusfigur, ein transformierter ‚Gottesnarr‘ (jurodivyj) – oder doch ein gar nicht so untypischer Mensch des 19. Jahrhunderts? Und wie sind seine unvermittelten polemischen Ausfälle gegen den Westen, zumal gegen die katholische Kirche, zu verstehen?
In dem Seminar wollen wir zunächst Aspekte des historischen, literaturgeschichtlichen und biographischen Kontexts von Dostoevskijs Text behandeln. Im Zentrum stehen anschließend Fragen der Poetik (Komposition, Erzähler, Raum- und Zeitbehandlung, Figurenzeichnung, ironischer Stil) und Probleme der Interpretation (Gesellschaft, Liebe, Religion, Staat, Geld). Mit der intermedialen Dimension des Romans (Kalligraphie, Malerei, Photographie) werden wir uns ebenso befassen wie mit einigen der zahlreichen, oft internationalen und interkulturellen Verfilmungen u.a. von Petr Čerdynin (1910, Russland), Akira Kurosawa (1951, Japan), Andrzej Żuławski (1985, Frankreich), Andrzej Wajda (1994, Polen/Japan) oder Vladimir Bortko (Russland, 2003).
Siehe auch das Seminar „Theorien des realistischen Romans in Mittel- und Osteuropa und ihre Rezeption im Westen“.
- Moderator/in: Eugeniya Ershova
- Moderator/in: Christian Zehnder
Während dieser slavistisch-germanistischen Exkursion wollen wir die südwestpolnischen Städte Breslau/Wrocław und Krakau/Kraków, die wir im gemeinsamen Seminar kultur-, literatur- und ideengeschichtlich erkunden, aus eigener Anschauung und in unmittelbaren Begegnungen kennenlernen:
Breslau/Wrocław ist ein zentraler, jedoch oft vergessener Ort der deutschen und polnischen Literaturgeschichte. Einst ein Zentrum des deutschen literarischen Barocks und Heimat der „Breslauer Dichterschule“, war die Stadt Geburts- und Wirkungsort bedeutender Intellektueller wie Norbert Elias, Edith Stein und Dietrich Bonhoeffer. Nach 1945 wurde Wrocław zum neuen Standort der polnischen Nationalbibliothek (Ossolineum) und zum literarischen Zentrum bedeutender Autoren wie Tadeusz Różewicz und der Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk.
Seit den 1990er Jahren wächst in Polen das Interesse an der deutschen Vergangenheit der Stadt, was sich auch in der Literatur widerspiegelt. Schriftsteller wie Andrzej Zawada, Olga Tokarczuk, Piotr Adamczyk und Jacek Inglot setzen sich literarisch mit Wrocławs/Breslaus wechselhafter Geschichte auseinander. Besonders in der Kriminalliteratur wird es als historische Kulisse lebendig – von Marek Krajewskis „Śmierć w Breslau“ (Tod in Breslau, 1999) bis zu Nadia Szagdajs „Kroniki Klary Schulz“ (Chroniken der Klara Schulz). Auch in der deutschen Literatur bleibt Breslau präsent. Monika Taubitz, „die schlesische Stimme der zeitgenössischen deutschen Literatur“, widmet sich der Stadt ihrer Kindheit in Lyrik und Prosa. In Wolf Kampmanns Roman „Schuhbrücke“ (2016) wird die Geschichte Breslaus zwischen 1923 und 1945 lebendig.
Einige Stunden südöstlich von Wrocław, in Krakau, sind auf dem Wawel-Hügel die polnischen Könige und Nationaldichter begraben. Krakau lag bis 1918 in der habsburgischen Verwaltungseinheit Galizien, hier entfaltete sich um 1900 eine spektakuläre Jugendstilkultur (Młoda Polska) – man denke an die Theaterstücke, Gemälde, Zeichnungen und Kirchenfenster von Stanisław Wyspiański. Der Krakauer Stadtteil Kazimierz ist der Erinnerungsort par excellence jüdischer Kultur und Literatur auf Jiddisch in Polen. In der ganzen jüdischen Welt singt man die Dichtung und die Kompositionen von Mordechai Gebirtig: Gebirtig war ein polnischer Jude, 1877 in Krakau geboren und dort 1942 im Krakauer Ghetto von SS-Männern auf die Straße gezerrt und erschossen.
Als der Dichter Czesław Miłosz – er hatte während der deutschen Okkupation einst in Warschau im künstlerischen Untergrund gewirkt – nach der Wende Anfang der 1990er Jahre aus dem kalifornischen Berkeley nach Polen zurückkehrte, wählte er die „Poesiestadt“ Krakau. „Ich schwebe über Krakau“, heißt es bei Miłoszs jüngerem Kollegen Adam Zagajewski; auch während des „grauen“ Sozialismus hatte die Stadt ihre Aura als Sehnsuchtsort nicht verloren. Vertreterinnen und Vertreter der Universität Wrocław und der Jagiellonen-Universität in Krakau werden uns zu ausgewählten Themen Inputs ‚vor Ort‘ geben – u.a. zur jiddischen Literatur in Kazimierz/Krakau. Für den 15. Mai ist ein freiwilliger Tagesausflug aus Krakau zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau geplant.
Anmeldung zur Exkursion: christian.zehnder@uni-bamberg.de , iris.hermann@uni-bamberg.de
- Moderator/in: Eugeniya Ershova
- Moderator/in: Iris Hermann
- Moderator/in: Christian Zehnder
Im Oberseminar zur slavischen Literatur- und Kunstwissenschaft werden laufende Abschlussarbeiten (Konzepte, Kapitelentwürfe etc.) besprochen und präsentiert. Außerdem werden – abgestimmt auf die Interessen und Bedürfnisse der Teilnehmenden – klassische und neue Texte aus dem Bereich der slavischen (und allgemeinen) Literatur- und Kulturwissenschaft gemeinsam gelesen. Zu ausgewählten Themen sind Gastvorträge vorgesehen, die sich an ein weiteres interessiertes Publikum richten.
Kapitelentwürfe sind ca. eine Woche vor dem jeweiligen Besprechungstermin an alle Teilnehmenden zu verschicken. Kontakt: simone.guidetti@uni-bamberg.de
- Moderator/in: Eugeniya Ershova
- Moderator/in: Simone Guidetti
- Moderator/in: Christian Zehnder
In den letzten Jahren ist der Realismus als philosophischer Denkstil, aber gerade auch als literaturwissenschaftliche Kategorie neu in den Fokus gerückt. In diesem komparatistischen Seminar mit Werkstattcharakter wollen wir die vielbeachtete Studie Sovereign Fictions: Poetics and Politics in the Age of Russian Realism (2024) von Ilya Kliger zum Anlass nehmen, über den literarischen Realismus des 19. Jahrhunderts nachzudenken. Kliger sieht im Zentrum des klassischen russischen Romans die „Figur des Staats“ (the figure of the state) und unterscheidet ihn von einem westlichen, an der „bürgerlichen Gesellschaft“ (civil society) ausgerichteten Romanmodell. Von dieser voraussetzungsreichen These wollen wir uns ein differenziertes Bild machen.
Wir werden Kligers Buch nach und nach besprechen, parallel werden wir in Auszügen prägende mittel- und osteuropäische Theorien des realistischen Romans zwischen Hermeneutik, Formalismus und Marxismus (wieder-)lesen: György Lukács’ Die Theorie des Romans (1916/1920) und seine späteren marxistischen Arbeiten zum Realismus, Roman Jakobsons „O chudožestvennom realizme“ (Über den Realismus in der Kunst, 1921), Erich Auerbachs Mimesis (1946) und Michail Bachtins Problemy poėtiki Dostoevskogo (Probleme der Poetik Dostoevskijs, 1963). Schließlich werden wir Aspekte der Nachwirkung dieser Positionen im Westen etwa im französischen Poststrukturalismus und bei Fredric Jameson betrachten. Alle Texte stehen auf Deutsch oder Englisch zur Verfügung.
Das Seminar kann als theoretische, komparatistische Ergänzung zum Seminar „Dostoevskijs Idiot intermedial“ besucht werden.
- Moderator/in: Eugeniya Ershova
- Moderator/in: Christian Zehnder
Dieses Seminar bildet die Fortsetzung der Einführung in die slavische Literaturwissenschaft (Wintersemester 2024/25), kann aber auch unabhängig von dieser besucht werden. Nachdem wir uns technische und theoretische Grundlagen erarbeitet haben, wollen wir uns in diesem Semester einen Überblick über die Geschichte der slavischen Literaturen verschaffen – ihrer Epochen, Stile, Poetiken. In den ersten Sitzungen werden wir uns mit literarischen Quellen von den Anfängen des slavischen Schrifttums im Mittelalter bis zur Renaissance beschäftigen. Anschließend werden wir die unterschiedlichen Entwicklungen neuzeitlicher slavischer Literaturen vom Barock-Zeitalter bis zur Moderne in den Blick nehmen. Wir orientieren uns dabei an einem Klassiker der Slavistik, Dmytro Čyževs′kyjs (Dmitrij Tschižewskijs) Einführungswerk Vergleichende Geschichte der slavischen Literaturen (1968), das derzeit in unserem Fach als Beispiel einer pluralen slavistischen Komparatistik wiederentdeckt wird.
Bestimmte Kapitel aus der Vergleichenden Geschichte der slavischen Literaturen werden wir gemeinsam besprechen, ausgewählte Kapitel werden die Studierenden in Kurzreferaten präsentieren. Zugleich ergänzen wir den gattungsorientierten Zugang Čyževs′kyjs um kulturgeschichtliche und gesellschaftliche Aspekte und skizzieren eine Fortsetzung seiner bei der Moderne abbrechenden Darstellung.
Čyževs′kyjs Vergleichende Geschichte der slavischen Literaturen in zwei schmalen Bänden ist im Bamberger Bibliothekskatalog frei downloadbar. Auszüge aus Primärtexten werden im Original und in Übersetzung auf VC zur Verfügung gestellt. Der Seminarappart in der TB4 aus dem Wintersemester 2024/25 besteht weiter.
- Moderator/in: Eugeniya Ershova
- Moderator/in: Simone Guidetti
Das Seminar widmet sich dem herausragenden russisch-sowjetischen Schriftsteller Michail Bulgakov (1891-1940) und dessen bekanntesten Prosawerken. Um die Bedeutung des Schriftstellers für die russische Literatur einzuführen, werden dabei vor allem seine einflussreichen Werke Soba e serdce (Hundeherz, 1925/1987), Belaja gvardija (Weiße Garde, 1923/1924) und Master i Margarita (Meister und Margarita, 1929-1940) betrachtet. Die Auswahl der Werke kann aber an die Präferenzen der Seminarteilnehmenden angepasst werden. Es sollen die gesellschaftlichen und historischen Umbrüche der Zeit des Autors der Abschied von der Monarchie, der Siegeszug des Kommunismus und der spätere Stalinismus als wichtige Referenzpunkte seines Werkes untersucht werden. Dazu gehören die kommunistische Ideologie, der sowjetische Bürgerkrieg und die Übernahme der imperialen Strukturen des Russischen Reiches durch die Sowjetunion, sowie der totalitäre sowjetische Alltag. Neben der Satire werden aber auch die Biographie des Autors und sein dichterisches Selbstverständnis angesprochen. Die zwei großen Romane, Weiße Garde und Meister und Margarita, werden jeweils auch im Kontext des Kyjiv- bzw. Moskau- Textes der jeweiligen literarischen Tradition, die die eine oder andere Hauptstadt zum Gegenstand hat in den Fokus genommen. Dies ermöglicht vor allem im Falle der Weißen Garde auch einen kritischen Zugang zum imperialen Hintergrund der Handlung. Nach Möglichkeit wird auch der Einfluss des Autors und seiner Werke auf die sowjetische, russische und ukrainische Kultur einbezogen.
Die Texte werden auszugsweise im Original, sonst in deutscher Übersetzung gelesen. Kenntnisse des Russischen sind daher wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich. Leistungen können je nach Bedarf der Studierenden und den Maßgaben des Modulhandbuches durch Teilnahme, Referate und Hausarbeiten erbracht werden.
Das Seminar findet voraussichtlich in Blockseminaren an drei bis vier einzelnen Wochenendtagen statt. Die vorläufigen Termine sind: Donnerstag, 24. April 2025 um 18-19 Uhr (Seminareinführung, evtl. per Zoom); Samstag, 17. Mai 2025 (9-17 Uhr) Blockseminar 1, Samstag 28. Juni 2025 (9-17 Uhr) Blocksemianr 2, Samstag, 19. Juli 2025 (9-17 Uhr) Blockseminar 3. Ggf. können die Seminartage noch geändert werden.
Herzlich Willkommen! Eine Vorausanmeldung per E-Mail oder per Selbsteinschreibung in den VC-Kurs ist gerne willkommen.
- Moderator/in: Nicolas Dreyer
- Moderator/in: Eugeniya Ershova