5. Die Mahnung der Fürsten - Ehe als binäre Geschlechtermatrix

Wann wird der Herrscher zum 'richtigen' Mann? Wenn er eine Frau hat?

In der Legende wird berichtet, dass der mit den besten Herrscherattributen ausgestattete König Heinrich, nachdem er bereits einige Wohltaten für sein Reich vollbracht hat, von seinen Fürsten angehalten wird, sich eine Frau zu suchen. Wird erst noch erzählt, dass die Fürsten vor allem im Sinne der Fortführung der Genealogie Heinrichs und der Weiterführung der Herrschaft durch die Nachkommenschaft desselben eine Frau an Heinrichs Seite verlangen, wird im nächsten Abschnitt der mittelalterlichen Legende von fürstlicher Seite mit dem Hinweis auf die soziale Norm  verwiesen: Ein allein regierender Herrscher sei nicht normal, daz enzême niht, es wêre ein seltêne geschiht, so etwas gehöre sich nicht, das Reich würde damit zerstört:

 

V 775 – 783 

den kunec sie sêre bâten, 

daz er im lieze râten. 

Sie sageten al gemeine, 

daz er daz rîche al eine hête,

daz enzême niht, 

ez wêre ein seltêne geschiht, 

sie hêten ez selden mêr gehôrt, 

daz rîche wurd darmite zerstôrt, 

er muostes alle unwillic haben.

 

„Sie baten den König inständig,

er möge sich von ihnen raten lassen.

Sie vertraten einhellig die Meinung,

es sei nicht recht,

daß er im Reich alleine entscheide.

Das sei doch eine merkwürdige Sache,

und so etwas hätten sie noch nie gehört.

Das Reich nähme auch Schaden davon.

Sie taten alle ihren Unwillen kund.“

Es wird gezeigt, dass er als Herrscher an der Spitze der herrschenden Norm steht und somit von seinen fürstlichen Beratern, den Mahnern der öffentlichen Ordnung, zur Erfüllung der für einen Herrscher gültigen Lebensform - der Ehe - angehalten wird. Das Herrscherdasein impliziert eine Herrscherin als Gegenüber, sowie die Zeugung von Nachkommenschaft als legitime Erben des Reiches.