Einführung: Was ist Realistisches Erzählen? (Buch)
Wenn von 'Realismus' die Rede ist, hat das für uns Literaturwissenschaftler vor allem zwei Bedeutungen: Zum einen wird damit (mit entsprechender zeitlicher Eingrenzung von ca. 1848 bis ca. 1890) die – von uns im Rahmen von Lektion III behandelte – literaturgeschichtliche Epoche des Realismus benannt. Zum anderen bezeichnet der Begriff aber auch noch etwas ganz anderes, nämlich eine epochenunabhängige realistische Erzählweise. In dieser einführenden Lektion soll es um die zweitgenannte Bedeutung gehen. Bevor sich im Folgenden Lektion um Lektion Epochen der deutschsprachigen Literaturgeschichte sowie konkreten Beispielen des Realistischen Erzählens in diesen Epochen zugewandt wird, geht es um eine Einführung des Realistischen Erzählens an sich.
Zusammenfassung
An dieser Stelle möchten wir noch einmal die wichtigsten, bisher erarbeiteten Ergebnisse festhalten und die Definition realistischer Erzählverfahren für den weiteren Verlauf des Kurses festigen.
- Realistische Erzählverfahren zeichnen sich durch Metonymie und die Verwendung bekannter kultureller Codes aus.
- Die Unterscheidung zwischen Realismus und Realistik (so, dass z.B. eine Geistergeschichte auch realistisch sein kann) muss stets beachtet werden.
- Jeder Text ist individuell zwischen den beiden Extrempolen ‚realistisch‘ und ‚nicht-realistisch‘ angelegt.
- Realistische Erzählverfahren unterscheiden sich von Epoche zu Epoche und auch innerhalb einer Epoche gibt es verschiedene Ausprägungen und Verfahren.
Dieser Kurs dient nicht nur dazu, Ihnen einzelne realistische (oder auch nicht-realistische) Erzählverfahren in den verschiedenen Literaturepochen aufzuzeigen, sondern wir möchten gemeinsam mit Ihnen das realistische Erzählen in Geschichte und Gegenwart erkunden. Dabei sind vor allem auch Sie selbst gefragt. In jeder Kurseinheit stehen Textausschnitte im Zentrum, anhand derer wir exemplarisch epochentypische oder auch eher untypische Erzählverfahren der Epoche untersuchen.
In diesem abschließenden Schaubild haben wir noch eine weitere Ebene eingefügt, die grundsätzlich immer von Bedeutung ist und innerhalb der einzelnen Lektionen stärker herausgearbeitet wird: Der Einfluss der Medien. Die Medien (z. B. in Form von Publikationsmedien oder moderner Massenmedien wie Fernsehen, Internet oder Hörfunk) beeinflussen nahezu alle Elemente des Schaubilds: Der Leser ist medial beeinflusst, das kulturelle Archiv ist gespeist durch die Medien und aktualisiert sich darüber. Für die einzelnen Textverfahren ist stets das Publikationsmedium von Bedeutung. Der große Einfluss der Medienkultur soll an dieser Stelle nur angedeutet werden, in den einzelnen Lektionen wird der Zusammenhang genauer geschildert.
Realismus und realistische Erzählverfahren ziehen sich durch Texte aller Zeiten, gerne nehmen wir Sie mit Blick auf Realistisches Erzählen mit auf unsere ‚Reise' durch die einzelnen Epochen der neueren deutschen Literaturgeschichte.