Realistisches Erzählen

Wenn von Realismus‘ die Rede ist, hat das für die Literaturwissenschaft vor allem zwei Bedeutungen: Zum einen wird damit mit entsprechender zeitlicher Eingrenzung die von uns im Rahmen von Lektion III behandelte literaturgeschichtliche Epoche  (ca. 1848-1890) benannt. Zum anderen bezeichnet der Begriff aber auch eine epochenunabhängige realistische Erzählweise: 

Realismus als Einheitsgröße: One size fits it all. Worin liegt der Reiz dieses scheinbar überhistorischen Konzeptes? (Baßler 2002, 76)

Dieser Frage soll in diesem Kurs nachgegangen werden. Auseinandersetzungen mit Konzepten und Möglichkeiten von Realistischem Erzählen sollen dabei eingehende Beschäftigungen mit epischen Texten motivieren und richten den Blick auf wichtige erzähl- und literaturtheoretische Fragestellungen.

Unser Gang durch die Literaturgeschichte beginnt um 1800, als sich modernes Verstehen Realistischen Erzählens ausbildet, und endet in der Gegenwart. Selbstverständlich kann der Kurs nicht die vollständige neuere deutsche Literaturgeschichte abdecken. Anhand von einzelnen Epochen und Erzähltexten sollen verschiedene realistische Erzählverfahren aufgezeigt werden und damit auch gleich epochenspezifisches und literaturwissenschaftliches Grundwissen vermittelt werden. 

In dieser einführenden Lektion erarbeiten wir zunächst das Konzept von Realistischem Erzählen, das dem Kurs zugrunde gelegt ist.