3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters
Ein Vergleich zwischen dem Gemälde und den dargestellten Männlichkeiten in der mittelalterlichen Literatur sollen Aufschluss darüber geben, wie sich Männlichkeit in rund 400 Jahren verändert hat. Über Iwein, Tristan und das Nibelungenlied hin zu Simplicius Simplicissimus und Thränen des Vaterlands Anno 1636 von Andreas Gyphius wird die Veränderung analysiert.
3. Tristan
3.2. Tristan und sein Pferd
Allerdings geht diese Art der Definition noch weiter, denn Tristan wird erst als edler Ritter in Verbindung mit seinem Pferd angesehen. Dabei wird beschrieben, wie sich beide Teile ergänzen und schließlich eine Einheit bilden.
Auffällig ist auch die weiße Decke, die das Pferd trägt. Sie lässt sich vergleichen mit dem weißen Schimmel auf dem Gemälde. Durch die Farbe weiß wird Reinheit, Anmut und Unschuld impliziert, die gegenteiligen Attribute eines bevorstehenden Kampfes. Im Text heißt es, sie war gleich der Rüstung Tristans. Demnach hat auch er eine helle Rüstung an und teilt die Merkmale der Farbe weiß.
Erst als sich Tristan auf sein Pferd setzt, ist die Erscheinung vollkommen und die beiden bilden eine unzertrennliche Einheit. Der Mann auf dem Pferd ist ein zeittypisches Bild:
sîn ors daz habete ein knappe dâ. | Ein Knappe hielt sein Pferd. |
in Spanjenlant noch anderswâ | Weder in Spanien noch anderswo |
wart nie kein schoenerez erzogen. | wurde je ein herrlicheres gezüchtet. |
ezn was niender în gesmogen: | Es war nirgendwo eingefallen: |
ez was rîch und offen |
Es war stark und breit |
zer brust und zou den goffen, | an Brust und Hinterbacken, |
starc ze beiden wenden, | kräftig in den Flanken, |
erwünschet z'allen enden. | und vollkommen vorne und hinten. |
[...] dar ûffe ein wîziu decke lac, | […] Es trug eine weiße Decke, |
lieht unde lûter alse der tac, | hell und leuchtend wie der Tag, |
den andern ringen gelîch, | gleich der Rüstung, |
und was diu lanc und alsô rîch, | und sie war so lang und prächtig, |
daz sî wol ebene nider gie | daß sie herunterhing |
dem orse vaste vür diu knie. | fast bis an die Knie des Pferdes. |
[...] swie wol daz aber schîne hie, | […] Wie schön das aber hier aussah, |
ez schein doch vil und verre baz, | es wurde noch viel herrlicher, |
sît dô er ûf daz ors gesaz | als er sich auf das Pferd setzte |
und sper ze handen genam, | und die Lanze in die Hand nahm. |
dô was daz bilde lussam, | Der Anblick war begeisternd, |
dô was der ritter lobelîch, | der Ritter herrlich, |
ob dem satel und unden rîch. |
prächtig oberhalb des Sattels und auch darunter. |
[...] dô stount daz ors, dô stount der man, | […] Da stand das Pferd, da stand der Mann, |
sô rehte wol ein ander an, | und beide paßten so gut zueinander, |
als ob si waeren under in zwein, | als ob sie |
mit ein ander unde in ein | gemeinsam und in einem |
alsô gewahsen unde geborn. |
so geboren und gewachsen wären. |