3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters

サイト: Virtueller Campus: eLearning-System der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
コース: Rivalisierende Männlichkeiten
ブック: 3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters
印刷者: Gestanotandi
日付: 2024年 10月 26日(土曜日) 01:57

説明

Ein Vergleich zwischen dem Gemälde und den dargestellten Männlichkeiten in der mittelalterlichen Literatur sollen Aufschluss darüber geben, wie sich Männlichkeit in rund 400 Jahren verändert hat. Über Iwein, Tristan und das Nibelungenlied hin zu Simplicius Simplicissimus und Thränen des Vaterlands Anno 1636 von Andreas Gyphius wird die Veränderung analysiert.

1. Allgemeines

 

www.planet-wissen.de Der Reiter ist ein Symbol miles christi, also ein Christ, der als Soldat in den Kampf zieht, wie beispielsweise der Heilige Georg.

 Das Wort ritter ist  "abgeleitet von «reiten» und meint ursprünglich den schwergepanzerten Reiter zu Pferde“. (Weddige 2008) Demzufolge ist Mann und Pferd nicht von einander zu trennen, sondern gar relvant für diese Charakterisierung.

 Ritter waren 1) schwergepanzerte Reiter; 2) die zum Gefolge der Könige und großen Herren gehörten; 3) der gesamte Adel, sprich eine Gesellschaft gleicher Lebensformen und gleicher Ideale und 4) später die unterste Schicht des Adels.

 Ihnen wurden Charakterzüge nachgesagt, die es anzustreben galt: Ehre, Würde, Tugendhaftigkeit, Abenteuer, Heldentum, aber auch zentrale Eigenschaften wie Gerechtigkeit und Freigebigkeit,  Weisheit, Beständigkeit und Tapferkeit erzeugen das Bild des edlen Ritters. (Weddige 2008)

 

 

 Ritter gilt als Reiter eines Pferdes

Die Verbindung zwischen Ritter und Pferd ist unabdingbar, definiert sich der Ritter als Reiter eines Pferdes. Er besitzt die Macht und Kontrolle über ein Wesen, das einerseits das Reine, das Gute und das Licht versinnbildlicht, andererseits allerdings auch das Negative, das Böse im Menschen darstellt. Eigenschaften wie Hybris, Leidenschaft, Triebhaftes werden gleichfalls mit dem Tier als solches verbunden. Da der Ritter jedoch das Pferd als triebhaftes und leidenschaftliches Wesen zügeln kann, kann er auch seine eigenen "Dämonen" in sich zügeln. Dies ist eine wichtige Assoziation, um das Edle und Anmutige im Ritterbild des Mittelalters zu verstärken. Der Ritter symbolisiert aufgrund seiner Macht über das Tier eine Dominanz, die ihn als Mann definiert und erkennen lässt. Er ist derjenige, der anderen überlegen ist und durch die Komination aus ritterlichen Attributen und dominate Führung Männlichkeit verkörpert.

Berühmte Ritter des Mittelalters waren u.a. König Artus, Richard Löwenherz, Götz von Berlichingen, etc., die zahlreich in der deutschsprachrigen Literatur wiederzufinden sind.


Weiterführende Literatur:

  • Weddige, Hilkert: Einführung in die germanistische Mediävistik. München: Beck 2008.
  • www.zdf.de/Terra-X

Bild: http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/mittelalter/leben_im_mittelalter/img/tempx2_mittelalter_ritter_g.jpg (Letzter Zugriff 10.03.2013)

 

2. Iwein

In Hartmann von Aues Artusroman Iwein sind Rittertum und Ehre wichtige Aspekte, die es zu analysieren gilt, um das dargestellte Bild des edlen Ritters und somit der Männlichkeit herauszuarbeiten.

nû sich wie ich gewâfent bin:

„Sieh her, welche Rüstung ich trage.

ich heize ein riter und hân den sin

Man nennt mich Ritter, und ich habe die Absicht

daz ich suochende rîte

auszureiten auf die Suche

einen man der mit mir strîte,

nach einem Mann, der mit mir kämpfe

der gewâfent sî als ich.

und der Waffen trägt wie ich.

daz prîset in, und sleht er mich:

Schlägt er mich, so bringt ihm das Ruhm ein,
gesige aber ich im an, siege aber ich über ihn,

sô hât man mich vür einen man,

so sieht man einen Helden in mir,

und wirde werder danne ich sî.

und meine Würde wächst.
V. 529-537

Hier lässt sich erkennen, dass Rittertum und Ehre nur dann zuteil werden, wenn der Protagonist eine Aventiure, in dem Fall einen Zweikampf, erfolgreich bestreitet. Nur durch den Sieg über einen ebenbürtigen, männlichen Gegner - das ist Voraussetzung für eine gültige Aventiure - wird der Ritter mit Ansehen und Ehre in die Gesellschaft aufgenommen.

Auch hier wird die Dominanz über ein Gegenüber, einen anderen Menschen, benutzt, um Männlichkeit zu verkörpern. Durch die daraus resultierende Ehre erhält Iwein eine Vorbildfunktion und wird das mustergültige Bild eines Mannes, das es anzustreben gilt.


Literatur:

  • Hartmann von Aue: Iwein. Berlin; New York: de Gruyter, 2001. 4. Aufl.

3. Tristan

In Gottfried von Straßburgs Versroman Tristan wird das Augenmerk insbesondere auf die Gefolgsleute und die Ausrüstung bzw. auf die Uniform gelegt, um einen weiteren Aspekt des Gemäldes mit mittelalterlichen Literatur zu belegen.

si gewunnen harnasch unde gewant

Sie beschafften Rüstungen und Kleider

innerhalp den drizec tagen,

innerhalb von dreißig Tagen,

daz drizec ritter solten tragen,

die die dreißig Ritter tragen sollten,

die sich der hofsche Tristan

die der edle Tristan sich

ze gesellen wolte nemen an

als Gefährten nehmen wollte.

Vers 4550-4554

Im Text wird vor allem auf die „Pracht der Gewänder“ eingegangen. Die oben genannten Verse beschreiben die edlen Rüstungen, die alle 30 Ritter tragen. Hier gibt es schon erste Hinweise auf eine Art der Uniformierung, die auf dem Gemälde der Schlacht bei Nördlingen 1634 ebenfalls zu sehen ist. Uniformen, um zu erkennen und zu zeigen, wer zu wem gehört. Die gleiche Rüstung der Gefolgsleute Tristans dient zur Markierung einer Einheit.


Literatur:


 

 

3.1. Tristan und sein Gefolge

Obwohl Tristan ihr Anführer ist und demnach eine Sonderstellung einnehmen sollte, wird er nicht anders ausgestattet als seine Gefährten. Seine Rüstung ist die gleiche, wie die folgenden Verse zeigen:

jâ weizgot der muotrîche, Ja – bei Gott! – der edelmütige
der êregire Tristan und ehrbegierige Tristan
truoc sunderlîchiu cleider trug besondere Kleider,
an von gebâre und von gelâze

die durch Benehmen und Ausdruck

gezieret ûz der mâze.

überaus prächtig verziert waren.

er haete s'alle an schoenen siten

Er hatte sie alle an feinem Benehmen

unde an tugenden übersniten. und an Vorzügen überflügelt.
und iedoch an der waete, Und doch gab es an dem Gewand,
die mannes hant dâ naete, das Menschenhand nähte,
da enwas niht underscheidunge an. keine Abweichung.

des truoc der werde houbetman

in allen gelîche.

Das trug der würdige Anführer

wie sie alle.

(V. 5000- 5011)

Allein durch seine Charakterzüge und seine Heldentaten wird er von den Anderen unterschieden. Durch ehrwürdiges Benehmen und Ansehen erhält er die Sonderstellung in der Gruppe. Dennoch ist er nicht von ihnen zu trennen, denn er braucht seine Gefolgsleute, um sie zu führen, sie zu dirigieren und den Gegner in die Flucht zu schlagen. Der edle Ritter definiert sich somit auch über die Männer, die seinem Komando unterliegen.

3.2. Tristan und sein Pferd

Allerdings geht diese Art der Definition noch weiter, denn Tristan wird erst als edler Ritter in Verbindung mit seinem Pferd angesehen. Dabei wird beschrieben, wie sich beide Teile ergänzen und schließlich eine Einheit bilden.

Auffällig ist auch die weiße Decke, die das Pferd trägt. Sie lässt sich vergleichen mit dem weißen Schimmel auf dem Gemälde. Durch die Farbe weiß wird Reinheit, Anmut und Unschuld impliziert, die gegenteiligen Attribute eines bevorstehenden Kampfes. Im Text heißt es, sie war gleich der Rüstung Tristans. Demnach hat auch er eine helle Rüstung an und teilt die Merkmale der Farbe weiß.

Erst als sich Tristan auf sein Pferd setzt, ist die Erscheinung vollkommen und die beiden bilden eine unzertrennliche Einheit. Der Mann auf dem Pferd ist ein zeittypisches Bild:

sîn ors daz habete ein knappe dâ. Ein Knappe hielt sein Pferd.
in Spanjenlant noch anderswâ Weder in Spanien noch anderswo
wart nie kein schoenerez erzogen. wurde je ein herrlicheres gezüchtet.
ezn was niender în gesmogen: Es war nirgendwo eingefallen:
ez was rîch und offen

Es war stark und breit

zer brust und zou den goffen, an Brust und Hinterbacken,
starc ze beiden wenden, kräftig in den Flanken,
erwünschet z'allen enden. und vollkommen vorne und hinten.
[...] dar ûffe ein wîziu decke lac, […] Es trug eine weiße Decke,
lieht unde lûter alse der tac, hell und leuchtend wie der Tag,
den andern ringen gelîch, gleich der Rüstung,
und was diu lanc und alsô rîch, und sie war so lang und prächtig,
daz sî wol ebene nider gie daß sie herunterhing
dem orse vaste vür diu knie. fast bis an die Knie des Pferdes.
[...] swie wol daz aber schîne hie, […] Wie schön das aber hier aussah,
ez schein doch vil und verre baz, es wurde noch viel herrlicher,
sît dô er ûf daz ors gesaz als er sich auf das Pferd setzte
und sper ze handen genam, und die Lanze in die Hand nahm.
dô was daz bilde lussam, Der Anblick war begeisternd,
dô was der ritter lobelîch, der Ritter herrlich,
ob dem satel und unden rîch.

prächtig oberhalb des Sattels und auch darunter.

[...] dô stount daz ors, dô stount der man, […] Da stand das Pferd, da stand der Mann,
sô rehte wol ein ander an, und beide paßten so gut zueinander,
als ob si waeren under in zwein, als ob sie
mit ein ander unde in ein gemeinsam und in einem

alsô gewahsen unde geborn.

so geboren und gewachsen wären.

3.3. Tristan und sein Schwert

Im weiteren Verlauf des Tristan wird Tristan des Mordes an Morold überführt, weil ihn Isolde aufgrund seines Schwertes wiedererkennt. Im Zweikampf wurde Morold von Tristan getötet und ein Splitter des Schwertes blieb zurück. Die junge Isolde entdeckt nun, dass der Splitter Teil des Schwertes Tristan sein muss:

«ich weiz ez wol, ez ist Tristan. Ich weiß es genau. Es ist Tristan.
diz swert ist sîn, nu sich ez an Dies ist sein Schwert. Betrachte es
und sich die scharten dar bî und vergleiche den Splitter daneben.

(V. 10184/5)

Hier wird demnach Tristan als Mörder identifiziert, weil man sein Schwert als Mordwaffe erkannte. Das Schwert ist ein Teil Tristans und komplettiert ihn. Erst durch das Schwert ist Tristan vollkommen, da es ein Teil seiner Ausrüstung und somit auch seiner Existenz als Ritter ist. Demnach sind Pferd und Schwert zwei wesentliche Attribute, die einen Ritter als Ritter erkennbar machen. Die mittelalterliche Literatur zeigt, dass darauf nicht verzichtet werden kann, um Männlichkeit darzustellen. Diese Darstellung wird im Gemälde der Schlacht bei Nördlingen 1634 fortgesetzt. Auch hier sind Männer zu sehen, die in Verbindung mit Pferd und Waffe eine dominate Männlichkeit repräsentieren.

4. Nibelungenlied

Im Nibelungenlied, das von einem unbekannten Dichter verfasst wurde, wird das Augenmerk auf die Schlachtenszenen gelegt. Das Nibelungenlied wurde in Strophen á vier Zeilen verfasst; in 125 Strophen wird allein der Sachsenkrieg beschrieben.

Dieser Krieg gegen die Sachsen und Dänen in der vierten Aventiure zeigt auf, dass die Schlacht um Ehre und Macht einen zentralen Punkt in der Handlung einnimmt, da sie sehr detailreich beschrieben wird. Die verbündeten Gegner Liudegast von Dänemark und der Sachsenkönig Liudeger bringen ein Heer von vierzigtausend Mann auf, um gegen Gunther, Siegfried und das rund eintausend mannstarke Heer der Burgunder zu kämpfen.

 

do besant ovch sich von sachsen | der kvnec livdger Da besandte sich auch von Sachsen der König Lüdeger,
vnze si vierzech tvsent | heten vnde mer Bis sie vierzigtausend hatten und wohl mehr,
mit den si wolden riten | in bvrgonden lant Womit sie reiten wollten nach Burgondenland.
do het ovch sich hie heime | der chvnech gvnther besant Da hatt auch schon zu Hause der König Gunther gesandt.

 (4. Aventüre/ Strophe 170)


Siegfried und die männlichen Vertretern des burgundischen Hofes werden in dieser Aventiure besonders mit Adjektiven wie „kühn“, „mächtig“, „stolz“ und „tapfer“ beschrieben. Siegfried ist außerdem derjenige, der die beiden Anführer der gegnerischen Truppen in einem Zweikampf tötet. Auch das ist eine Parallel zu dem Gemälde und den darauf zu sehenden Zweikämpfen. Siegfried bestreitet zunächst einen Kampf mit der Lanze, um dann zum Schwert überzugehen. Hierbei wird erwähnt, wie laut und stark sein Schlag war. Der Kampf, der zunächst ebenbürtig erscheint, wird schließlich von Siegfried gewonnen, als er König Luidegast als Geisel gefangen nimmt. Daraufhin wird Siegfried von dreißig Gefolgsleuten Luidegasts angegriffen, die er alle bis auf einen tötet.

do slvoch der herre sivrit | daz al daz velt erdoz

Da schlug der Degen Siegfried, dass rings das Feld erklang.

do stovb vz dem helme | sam von brenden groz

Da stoben aus dem Helme, als ob man Brände schwang,

die viwerroten vanchen | von des heldes hant

Die feuerroten Funken von des Helden Hand;

ir ietweder den sinen | an dem andern vant

Den seinen jedweder an dem andern wieder fand.

 (Strophe 186)

mit drien starchen wunden | di er dem kvnge slvoch Mit dreien starken Wunden, die er dem König schlug,
dvrch eine wize brvnne | div was gvot genvoch Durch einen weißen Harnisch; der war doch fest genug.
daz swert an sinen ekken | braht vz wunden blvot Das Schwert mit seiner Schärfe entlockte Wunden Blut;
des mvose der kvnec livdegast | habn trvorigen mvot Da gewann der König Lüdegast einen traurigen Mut.
er bat sich lebn lazen | vnt bot im siniv lant Er bat ihn um sein Leben und bot ihm all sein Land,
vnt sagt im daz er waere | livdegast genant Und sagt' ihm wie er wäre Lüdegast genannt.
do chomen sine rechen | di heten wol gesehen Da kamen seine Recken, die hatten wohl gesehn
waz da von in beiden | vf der warte was gescehn Was da von ihnen beiden war auf der Warte geschehn.
er wolde in fveren dannen | do wart er angerant Er wollt ihn führen dannen: 
von drizech sinen mannen | do werte des heldes hant Da ward er angerannt Von dreißig seiner Mannen:  
sinen richen gisel | mit vngefvegen slegen Doch wehrte seine Hand seinen reichen Geisel mit ungestümen Schlägen:
sit tet scaden mere | der vil zierliche degen Bald tat noch größern Schaden Siegfried der stattliche Held.

 (Strophe 188-190)

Siegfried ist in dieser Szene zwar gewalttätig, aber nicht blutrünstig dargestellt, da er den König am Leben lässt, um durch seine Gefangennahme den Gegner zur Kapitulation zu bewegen. Er ist in diesem Kampf als ein starker, kühner und tapferer Mann beschrieben, ohne dabei auf seine Kleidung oder ähnliches einzugehen. Allein die Taten und Handlungen sind hier relevant, um ihn als mutigen Mann zu charakterisieren. Diese Darstellung zieht sich durch die darauffolgende Schlacht fort.

Zusammenfassend lässt sich sagen: „Nur in der 4. Aventuire bringt das Nibelungenlied eine derart einhergehende Kriegsdarstellung mit den verschiedenen Phasen von der Kriegserklärung über Verfahrensberatung, Aufgebot, Zug an den Kriegsschauplatz, Sicherung der Nachhut, Befehlsverteilung, Sondierung der Front, Einzelkampf zu Pferd und zu Fuß mit verschiedenen Waffen, allgemeine Kämpfe, Verwundung, Tötung, Gefangennahme bis zur Kapitulation und Heimkehr.“(Schulze 2008)


Weiterführende Literatur:

  • Schulze, Ursula: Das Nibelungenlied. Stuttgart: Reclam, 2008.

Nibelungenlied:

 

5. Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch

Hans Jakob Christoph von Grimmelshausens Roman „Simplicius Simplicissimus Der Jäger von Soest. Ein Soldatenleben aus dem Dreißigjährigen Krieg“  beschreibt den Lebensweg von Melchior Sternfels von Fuchshaim, auch Simplicius genannt, der im Dreißigjährigen Krieg als Kind von Soldaten von seiner Familie und Hof gewaltsam getrennt wird, es zum Offizier schafft, durch Deutschland und Teile Europas reist und schließlich der Welt entsagt und Einsiedler wird.

In dem Roman befindet sich der junge Protagonist fortan auf der Suche nach seiner eigenen Identität. Der geschichtliche Hintergrund – der Dreißigjährige Krieg – spielt dabei eine unterschwellige Rolle, ist jedoch dafür verantwortlich, dass der Protagonist seinen Platz in der Welt immer wieder neu finden muss. Auf seinem Weg wird er ständig mit den Lehren der Christen konfrontiert und somit ist Religion ein weiteres Thema, welches eine Verbindung zum Dreißigjährigen Krieg schlägt. 


Literatur:

  • von Grimmelshausen, Hans Jokob Christoph: Simplicius Simplicissimus.Der Jäger von Soest. Ein Soldatenleben aus dem Dreißigjährigen Krieg. http://gutenberg.spiegel.de/buch/5248/1 (Eingesehen am 14.3.2013).

 

5.1. Der Romananfang

Der Romananfang führt bereits in den geschichtlichen Hintergrund ein:

„Länger als zwölf Jahre schon hatte der schreckliche dreißigjährige Krieg in Deutschland gewütet und unsäglichen Jammer über unser Vaterland gebracht. […] Hin und her durch Deutschland zogen die kaiserlichen und die evangelischen Heere, und wo der Fuß derselben hintrat, da bezeichneten rauchende Städte und Dörfer, verwüstete Fluren und Leichname Erschlagener ihrer Spur.“

(Simplicius Simplicissimus. Nacherzählt von Richard Weitbrecht, S. 3)

Der konkrete Zusammenhang mit der Schlacht von Nördlingen: Auch die Schlacht von Nördlingen wird im Simpliccisimus thematisiert, allerdings werden die Soldaten als ‚mordende und brandschatzende Monster‘ dargestellt und nicht als edle, heroische Ideale. Bei der Schlacht von Nördlingen sind Soldaten dafür verantwortlich, dass das Zuhause seiner ‚neue Identität‘ bei dem alten Einsiedler nicht länger eine Heimat bietet. Er muss auch diesen Ort verlassen und bleibt indes heimat- und identitätslos.

„Was ein Krieg in jener Zeit hieß, davon wußte er freilich noch nichts; er wußte auch nicht, was in den zweieinhalb Jahren, die er im Walde gewesen war, sich im deutschen Lande begeben hatte, wie ganz Deutschland in Kriegsflammen stand, und wie Hunger und Pestilenz überall wüteten.“

(Simplicius Simplicissimus. Nacherzählt von Richard Weitbrecht, S. 35)

 


Literatur:

  • von Grimmelshausen, Hans Jakob Christoph: Simplicius Simplicissimus. Der Jäger von Soest. Ein Soldatenleben aus dem dreißigjährigen Kriege. Nacherzählt von Richard Weitbrecht. Kreuznach: Boigtländer Verlag.

5.2. Männlichkeitsdarstellungen

Wie werden hier die männlichen Soldaten dargestellt?

Die Soldaten werden als plündernde, brandschatzende, schändende Monster beschrieben.

Roß und Reiter seien ein Geschöpf (S. 7); sehr stark, gewalttätig und unhöflich; sie foltern Unschuldige, rauben und morden.

Es werden wilde, grausame Soldaten genannt, die am Dreißigjährigen Krieg in Deutschland beteiligt waren.

Das Bild der edlen, tugendhaften Rittern bzw. Soldaten wird duch ein blutrünstiges, grauenerregendes Bild der Soldaten ersetzt.

Wie wird der Protagonist dargestellt?

Simplicius Simplicissimus weiß nicht, wer er ist und somit nicht, was Männlichkeit bedeutet.

Er bekommt allerdings das Verhalten der gewalttätigen Soldaten aufgezeigt und möchte so nicht sein.

Durch seine religiöse Erziehung und die christliche Lehre in der folgenden Handlung erkennt er den Unterschied zwischen gut und böse.

Dennoch wird die Männlichkeit und das männliche Verhalten hinterfragt.

Sein Ziel und seine Lösung des Problems: Er wird Einsiedler und entzieht sich somit den gesellschaftlichen Konventionen.

6. Thränen des Vaterlandes Anno 1636

Wir sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret!

Der frechen Völcker Schaar / die rasende Posaun

Das vom Blutt fette Schwerdt / die donnernde Carthaun /

Hat aller Schweiß / und Fleiß / und Vorrath auffgezehret.

Die Türme stehn in Glutt / die Kirch ist umgekehret.

Das Rathauß ligt im Grauß / die Starcken sind zerhaun /

Die Jungfern sind geschänd’t / und wo wir hin nur schaun

Ist Feuer / Pest / und Tod / der Hertz und Geist durchfähret.

Hir durch die Schantz und Stadt / rinnt allzeit frisches Blutt.

Dreymal sind schon sechs Jahr / als unser Ströme Flutt /

Von Leichen fast verstopfft / sich langsam fort gedrungen

Doch schweig ich noch von dem / was ärger als der Tod /

Was grimmer denn die Pest / und Glutt und Hungersnoth

Das auch der Seelen Schatz / so vilen abgezwungen.

Andreas Gryphius


Das Sonett, das sich mit dem Dreißigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert in Deutschland und Europa beschäftigt, spricht sich ganz bewusst gegen den Krieg aus und ist somit noch heute von enormer Aktualität.

Der Autor, Andreas Gyphius, beschreibt in 14 Zeilen, welche Folgen und Ausmaße ein Krieg mit sich bringt. Dabei scheut er sich nicht, die Wahrheit zu sagen: Feuer, Blut, Hungersnot, Pest und Tod wartet auf das Vaterland Deutschland.  Wie auch schon die Schilderung des Sachsenkriegs im Nibelungenlied zeigte, wird das Augenmerk der Kriegsschilderung auf Akustik und Visualität gelegt, um Bilder beim Leser zu erzeugen. Diese Bilder sollen Grauen erregen, über die Tatsachen informieren und hier - im Unterschied zum Nibelungenlied - nichts verschönen. Die letzte Zeile relativiert somit den Verlust von den zuvorgenannten materiellen Gegenständen und von der Zerstörung der Gebäude und Häuser, da für das lyrische Ich der Verlust der Seele, des christlichen Glaubens, die eigentliche Entehrung ist.


Weiterführende Literatur:

Bild: