4. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters
Interpretation im Zusammenhang mit der mittelhochdeutschen Kreuzzugsdichtung
4.2 Fortsetzung "Verteidiger des Glaubens"
Bei aller Pracht fragt man nach dem Nutzen von Edelsteinen
und Perlen an lebensrettenden Panzerungen. Doch hier geht
es nicht um die realistische Darstellung eines kampfbereiten
Recken. Durch die edlen und kostbaren Materialien wird
wieder eine indirekte Wertung des Trägers unternommen.
Für ihn scheint das Beste gerade gut genug. Eine weitere
Steigerung des Kreuzritterideals findet man ab Vers 3429.
(Das Bild zeigt keine Szene eines Kreuzzuges. Es stammt aus dem Codex Manesse. Hier wird allerdings deutlich,
dass die hier gezeigten Ritter auf Funktionalität setzten. Gold und Perlen sucht man hier vergebens.)
Dô sich die gotes degene Als die Gottesstreiter
Mit salmen unt mit segene, 3430 mit Psalmensingen und Bekreuzigungen,
mit bîchte unt mit gelouben, mit Beichte und Glaubensbekenntnis,
mit trahenden ougen, mit heiligen Tränen,
mit grôzer dêmüete, mit großer Demut,
mit maniger slachte güete mit vielen frommen Bezeugungen
sich ze gote habeten, 3435 sich Gott zugewandt
[…] […]
dô wâfenôten sich die helede. 3440 da wappneten sich die Helden.
got lobeten si dô. Sie lobten Gott
si wâren alle samt frô, und freuten sich alle
sam die ze brûtlouften sint. wie auf eine Hochzeit.
si haizen alle gotes kint. Sie sollen alle Gottes Kinder heißen.
die werlt si versmâheten, 3445 Sie verschmähten die Welt,
daz raine opher si brâchten, brachten das reine Opfer dar,
dô si daz criuze an sich nâmen. als sie das Kreuz nahmen,
Ze dem tôde begonden si harte gâhen, sie eilten schnell in den Tod
si kouften daz gotes rîche. und erkauften das Reich Gottes.
Die ausführliche Beschreibung der seelischen Vorbereitung auf den Tod ist sehr pathetisch.
Im ersten Teil wirken die Ritter eher unmännlich. Sie tragen religiöse Gesänge vor,
weinen, ordnen sich Gott demütig ganz unter. Sie wirken verwundbar und schwach.
Im zweiten Teil jedoch ergreifen sie wieder die Waffen und sind sich ihrer Aufgabe sehr
bewusst. Man erkennt, dass ein Kreuzritter nicht einfach nur ein „normaler“ höfischer Ritter ist,
der seine Aventiuren bestreiten muss. Bei dem Kreuzritter kommt eine besondere spirituelle
Ebene hinzu,die ihn einerseits ganz klein macht (vor Gott), andererseits aber auch wieder groß
(vor der Gesellschaft). Sie sind bereit, ein besonderes Opfer darzubringen, das hier als „daz
raine opher“ bezeichnet wird. Gerade die Verse der Vorbereitung auf die Schlacht sind voller
sakraler Handlungen wie Eucharistie, Beichte, Gebet, Segnungen.
An diesem Text wird die Kreuzzugsideologie wirklich deutlich. Nicht nur ihre Rüstung ist von
reinsten Materialien - nein, auch die Ritter sind rein und fromm. Dadurch kann der
mittelalterliche Leser nicht anders, als beeindruckt zu schweigen und sich bestenfalls ein
Beispiel daran zu nehmen. Das könnte durchaus auch die Intention gewesen sein.
Die Kreuzzüge dauerten mehrere hundert Jahre und Generationen an Kriegern wurden dafür
„benötigt“.
Literatur:
Verse zitiert nach: Konrad, der Pfaffe: Das Rolandslied. mittelhochdeutsch / neuhochdeutsch, Hrsg.: Kartschoke, Dieter, Reclam, Stuttgart, 1993, S. 232f, 234f.
Codex Manesse: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0079?sid=7daf20acc11a524037a9f7793f9f470c (letzter Zugriff: 14.03.2013)