2. Der arme Heinrich

„Der Arme Heinrich“ ist eine Verserzählung von Hartmann von Aue. Sie wurde schätzungsweise um 1190 verfasst. Der Hauptprotagonist Heinrich war ein Ritter und genoß öffentliches Ansehen. Eines Tages wurde er von einer schweren Krankheit heimgesucht, die seinen Körper entstellte. Es gab kein anderes Heilmittel als das Herzblut einer Jungfrau. Heinrich war verzweilfelt, bis er das gütige Mädchen kennenlernte, das ihm sein Herzblut freiwillig anbot. Gott wurde von ihrer Tat bewegt und ließ Heinrich wundersam heilen. Schließlich heirateten Heinrich und das Mädchen. Und Heinrich konnte sich sein Ansehen wieder verschaffen.

 

Am Anfang der Geschichte erzählte Hartmann von Aue über Heinrichs Stand:

 

Er las daz selbe mære,              er las diese Geschichte:

wie ein herre wære                     dass ein adliger Herr,

ze Swâben gesezzen:                ansässig in Schwaben,

an dem enwas vergezzen           im Vollbesitz der Vorzüge

deheiner der tugent,                   war,

die ein ritter in sîner jugent          die ein Ritter in seiner Jugend

ze vollem lobe haben sol.            haben soll, damit man ihn aufs höchste rühmen kann.

man sprach dô niemen alsô wol   Man pries niemanden so sehr

in allen den landen.                     in allen Landen.

er hete ze sînen handen              Er war

geburt unde rîcheit:                     von Adel sowie reich und mächtig,

ouch was sîn tugent vil breit.       und seine Vorzüge waren viele.

swie ganz sîn habe wære,          Wie groß sein Besitz auch war,

sîn geburt unwandelbære            seine Herkunft ohne Makel

und wol den vürsten gelîch,         und fürstengleich,

dô was er unnâch alsô rîch         so war er doch längst nicht so reich

der geburt und des guotes          an Adel und Macht

so der êren und des muotes.      Wie an Ansehen und edlem Sinn.

(V. 29-46)

 


Weiterführende Literatur:

Mertens, Volker (Hgs. und Übers.): Hartmann von Aue. Gregorius. Der Arme Heinrich. Iwein. Frankfurt am Main 2008, S. 229-316