3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters

Website: Virtueller Campus: eLearning-System der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Kurs: Rivalisierende Männlichkeiten
Buch: 3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters
Gedruckt von: Gast
Datum: Sonntag, 24. November 2024, 13:21

Beschreibung

Die Verbindung des Objekts mit der in der Legenda aurea dargestellten Männlichkeit und Hartmann von Aues Verserzählung Der arme Heinrich wird hier geklärt.

1. Legenda aurea

Die Legenda aurea von Jacobus de Voragine, die die Legenden von zahlreichen Heiligen erzählt, überliefert auch einige Legenden vom Heiligen Sebastian.


„Da gebot Diocletianus, daß man ihn mitten auf dem Feld an einen Pfahl binde,

und sollten die Kriegsknechte auf ihn mit Pfeilen schießen. Da schossen sie so

viele Pfeile auf ihn, daß er stund gleich einem Igel. Und gingen darnach von ihm

und wähnten, er wäre tot. Aber über wenige Tage, so stand er gesund auf der

Treppe vor des Kaisers Palast, und da die Kaiser kamen, strafte er sie zorniglich

um die Pein, die sie den Christen antaten.“ (S.131)

 

Diese Legende vom Heiligen Sebastian stimmt mit dem Gemälde überein. Es repräsentiert sein Pfeilmartyrium und seine Heiligung durch die Überwindung des leiblichen Körpers.

 


Weiterführende Literatur:
Benz, Richard (Übers.): Die Legenda aurea des jacobus de Voragine. Heidelberg 1925

2. Der arme Heinrich

„Der Arme Heinrich“ ist eine Verserzählung von Hartmann von Aue. Sie wurde schätzungsweise um 1190 verfasst. Der Hauptprotagonist Heinrich war ein Ritter und genoß öffentliches Ansehen. Eines Tages wurde er von einer schweren Krankheit heimgesucht, die seinen Körper entstellte. Es gab kein anderes Heilmittel als das Herzblut einer Jungfrau. Heinrich war verzweilfelt, bis er das gütige Mädchen kennenlernte, das ihm sein Herzblut freiwillig anbot. Gott wurde von ihrer Tat bewegt und ließ Heinrich wundersam heilen. Schließlich heirateten Heinrich und das Mädchen. Und Heinrich konnte sich sein Ansehen wieder verschaffen.

 

Am Anfang der Geschichte erzählte Hartmann von Aue über Heinrichs Stand:

 

Er las daz selbe mære,              er las diese Geschichte:

wie ein herre wære                     dass ein adliger Herr,

ze Swâben gesezzen:                ansässig in Schwaben,

an dem enwas vergezzen           im Vollbesitz der Vorzüge

deheiner der tugent,                   war,

die ein ritter in sîner jugent          die ein Ritter in seiner Jugend

ze vollem lobe haben sol.            haben soll, damit man ihn aufs höchste rühmen kann.

man sprach dô niemen alsô wol   Man pries niemanden so sehr

in allen den landen.                     in allen Landen.

er hete ze sînen handen              Er war

geburt unde rîcheit:                     von Adel sowie reich und mächtig,

ouch was sîn tugent vil breit.       und seine Vorzüge waren viele.

swie ganz sîn habe wære,          Wie groß sein Besitz auch war,

sîn geburt unwandelbære            seine Herkunft ohne Makel

und wol den vürsten gelîch,         und fürstengleich,

dô was er unnâch alsô rîch         so war er doch längst nicht so reich

der geburt und des guotes          an Adel und Macht

so der êren und des muotes.      Wie an Ansehen und edlem Sinn.

(V. 29-46)

 


Weiterführende Literatur:

Mertens, Volker (Hgs. und Übers.): Hartmann von Aue. Gregorius. Der Arme Heinrich. Iwein. Frankfurt am Main 2008, S. 229-316

 

 

3. Der arme Heinrich

„tugent“ (Tugend, Tapferkeit, Kraft), „guot“ (Reichtum, Vorzug), „muot“ (Vernunft, Edelmut), diese Attribute erfüllen die Erwartungen an einen edlen Ritter. Deshalb wurde Heinrich auch angesehen und gepriest. Doch nachdem er erkrank war, änderte sich alles:

 

er sente sich vil sêre                   Er quält sich in Schmerzen,

daz er sô manege êre                 dass er so viel Glück

hinder im müese lâzen.               hinter sich lassen musste.

vervluochet und verwâzen            Er verfluchte und verwünschte

wart vil dicke der tac,                  immer wieder den Tag,

dâ sîn geburt ane lac.                 an dem er geboren wurde

(V. 157-162)

 

dô man die swæren gotes zuht    Als man die schwere Hand Gottes

ersach in sînem lîbe,                  an seinem Leib sah,

manne unde wîbe                       wurde er allen Menschen

wart er dô widerzæme.                widerwärtig.

nû sehet, wie genæme                Seht doch, wie angenehm

er ê der werlte wære,                   er vorher den Menschen war,

und wart nû als unmære.             und jetzt wurde er so unerträglich.

(V.120-126)

  

Gleich wie Heiliger Sebastian und Heiliger Rochus wurde Heinrich von Leuten respektiert. Nachdem sie aber die Attribute eines Ritters bzw. eines Adligen verloren hatten, wurden sie allesamt marginalisiert.

 


Weiterführende Literatur:

Mertens, Volker (Hgs. und Übers.): Hartmann von Aue. Gregorius. Der Arme Heinrich. Iwein. Frankfurt am Main 2008, S. 229-316