1. Kunst- und kulturgeschichtliche Hintergrundinformationen zu dem Objekt.
Die Darstellungen der nackten Männlichkeit in verschiedenen Epochen bilden eine vielfältige Körpergeschichte. Durch Antike, Mittelalter und Renaissance veränderte sich die Bedeutung der männlichen Blöße. Vor allem die renaissancistische Auseinandersetzung mit dem nackten Körper sowie mit den mythologischen Themen bei italienischen und deutschen Meistern ist für die Interpretation des vorliegenden Gemäldes von großer Bedeutung.
3. Bacchus in Gestalt des nackten Jünglings bei Michelangelo und Tizian
Ab dem 15. Jahrhundert kommt es zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den antiken Themen und auch mit der antiken Mythologie ihren Anfang. Eine der wichtigsten literarischen Quellen für die Künstler der Zeit bildete Ovids Metamorphosen. In den Geschichten Ovids sind auch die Mythen über Dionysos und seine Beschreibung zu finden (Bacchus und Ariadne). In der bildlichen Kunst sind zwei Traditionen der Darstellung von Dionysos vertreten. In einer wird Bacchus als ein kleiner, betrunkener Satyr mit dem menschlichen Oberkörper und einem Bockunterkörper aufgezeichnet. Die andere Vorstellung über den Weingott stammt aus der Antike und stellt ihn als einen nackten Jüngling dar. Diese wird im Laufe der Kunstgeschichte prominent von Michelangelo (Bacchus, 1496), Tizian (Bacchus und Ariadne, 1522-23) und Caravaggio (Bacchus, 1595) abgebildet.
Michelangelo stellt Bacchus mit einem Weinlaubkranz und einer Schale mit Wein dar. Er blickt schräg auf den Becher und will ihn zum Munde führen. Sein Körper wirkt mollig. Man sieht auch den kleinen Satyr, der zu der traditionellen Begleitung von Dionysos gehört. Das Gleichgewicht, das für die antiken Skulpturen charakteristisch war, ist bei Michelangelos Werk gestört. Die taumelnde Haltung des Weingottes trägt zu der Charakterisierung des Gottes bei, der sowohl die Heiterkeit als auch die Zerstörung bringt.
Tizians Bacchus und Ariadne schildert die zweite Begegnung beider, als Bacchus Ariadne auf der Insel Naxos entdeckt und sich in sie verliebt. Hinter Bacchus sehen wir das Gefolge – bockbeinige Satyre, Cymbeln schlagende Mänaden. Das Motiv der zweiten Begegnung ist in der bildenden Kunst sehr selten, meist wird die erste Begegnung dargestellt. Tizians Darstellung kündet von der Macht und dem Triumph des Bacchus, der die Welt verwandelt und die Menschen ins dionysische Tanzen reißt.
Michelangelo Bacchus (1496-97) |
Tizian Bacchus und Ariadne (1520-23) |
Weiterführende Literatur:
1.Dittmann, Lorenz: Die Wiederkehr antiker Götter im Bilde, Padeborn 2001.
2. Larsson, Lars Olof: Antike Mythen in der Kunst. Stuttgart 2009.
3. Leopold, Elisabeth: Die Poesie des Körpers. Der nackte Mann in der Kunstgeschichte. In: Nackte Männer. Hg. v. Tobias Natter. München 2012, S. 17-27.
4. Weber, Gregor J. M.: Der Triumph des Bacchus. Meisterwerke Ferrareser Malerei in Dresden. Turin, Alemandi 2003.