4.3 Das „Rolandslied“ des Pfaffen Konrad, 12. Jahrhundert

Teile des Rolandsliedes wurden bereits in Kapitel 4.2 vorgestellt. Das „Rolandslied“ des

Pfaffen Konrad gilt als eine der Darstellungen der Kreuzzugsideologie des 12.

Jahrhunderts. Es handelt sich um eine mittelhochdeutsche Variante des „Chanson de

Roland“. In diesem Werk geht um den Kampf gegen die „Heiden“ in Spanien.

 

 

   Karl der was Pipines sun;                              Karl, der war Pipins Sohn;

   michel ere unde frum                                    sehr ehrbar und fromm

   hat der herre gewunnin,                                 hat der Herr gewonnen,

   die grimmigen heiden bedwungin,       29        die grimmigen Heiden bezwungen,  

   daz si erkanten daz ware liecht:                    dass sie erkannten das wahre Licht:

   sine wessen e nicht                                      Sie wissen nicht,

   wer ir schephere was.                                    wer ihr Hirte war.

 

Karl der Große als Kreuzritter wird als ehrbarer und frommer Mann dargestellt, der das „Licht“

zu den „Heiden“ bringen kann und soll. In gewisser Weise wird hier ein Vergleich zu Jesus

selbst gezogen, der als „Licht der Welt“ bezeichnet wird - eine wertungsintensivere Analogie ist

kaum möglich.

 

 

   `Karl, gotes dinist man,                     55        Karl, Gottes Lehensmann,

   ile in Yspaniam!                                           eile nach Spanien!

   got hat dich erhoret,                                      Gott hat dich erhört,

            […]                                                                […]

   die heizent des tuvelis kint                60         die heißen des Teufels Kind

   unt sint allesamt uirlorin;                                und sind allesamt verloren;

   die slehet der gotes zorn                                die wird Gottes Zorn schlagen

   an libe unt an sele:                                        an Leib und an Seele,

          […]                                                                  […]

  

In Karls Traum zu Beginn des Rolandsliedes bekommt er den Auftrag, die „Heiden“ zu

bekämpfen. Interessant ist hierbei, dass nicht die Kreuzritter bzw. Karl über sie richten,

sondern Gott selbst. Damit werden die Kreuzritter zu einem Werkzeug Gottes und sind

deshalb in der mittelalterlichen Gesellschaft besonders angesehen. Die Legitimation wird im

Traum gleich mitgeliefert. Die „Heiden“ sind Kinder es Teufels. Es braucht keinen anderen

Grund. Hier wird der Begriff „Heiden“ deutlich negativ charakterisiert.Doch der Autor kritisiert

besonders stark auch die Christen, die sich auf die Seite der „Heiden“ stellten (und / oder die

ihre Glaubensbrüder an diese verraten) und bezeichnet sie als „Judas“ - der schlimmste

Vergleich der christlichen Welt. (Vgl.: Die Rolle des Geneluns im Rolandslied als Verräter)

  

 


Literatur:

Verse zitiert nach: Müller, Ulrich (Hrsg.): Kreuzzugsdichtung. 4. unveränderte Auflage, Max Niemeyer Verlag, Tübingen, 1998, S. 21, 22, 26, 28.

(Übersetzung erfolgte durch die Autorin)