3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters
Ein Vergleich zwischen dem Gemälde und den dargestellten Männlichkeiten in der mittelalterlichen Literatur sollen Aufschluss darüber geben, wie sich Männlichkeit in rund 400 Jahren verändert hat. Über Iwein, Tristan und das Nibelungenlied hin zu Simplicius Simplicissimus und Thränen des Vaterlands Anno 1636 von Andreas Gyphius wird die Veränderung analysiert.
4. Nibelungenlied
Im Nibelungenlied, das von einem unbekannten Dichter verfasst wurde, wird das Augenmerk auf die Schlachtenszenen gelegt. Das Nibelungenlied wurde in Strophen á vier Zeilen verfasst; in 125 Strophen wird allein der Sachsenkrieg beschrieben.
Dieser Krieg gegen die Sachsen und Dänen in der vierten Aventiure zeigt auf, dass die Schlacht um Ehre und Macht einen zentralen Punkt in der Handlung einnimmt, da sie sehr detailreich beschrieben wird. Die verbündeten Gegner Liudegast von Dänemark und der Sachsenkönig Liudeger bringen ein Heer von vierzigtausend Mann auf, um gegen Gunther, Siegfried und das rund eintausend mannstarke Heer der Burgunder zu kämpfen.
do besant ovch sich von sachsen | der kvnec livdger | Da besandte sich auch von Sachsen der König Lüdeger, |
vnze si vierzech tvsent | heten vnde mer | Bis sie vierzigtausend hatten und wohl mehr, |
mit den si wolden riten | in bvrgonden lant | Womit sie reiten wollten nach Burgondenland. |
do het ovch sich hie heime | der chvnech gvnther besant | Da hatt auch schon zu Hause der König Gunther gesandt. |
(4. Aventüre/ Strophe 170)
Siegfried und die männlichen Vertretern des burgundischen Hofes werden in dieser Aventiure besonders mit Adjektiven wie „kühn“, „mächtig“, „stolz“ und „tapfer“ beschrieben. Siegfried ist außerdem derjenige, der die beiden Anführer der gegnerischen Truppen in einem Zweikampf tötet. Auch das ist eine Parallel zu dem Gemälde und den darauf zu sehenden Zweikämpfen. Siegfried bestreitet zunächst einen Kampf mit der Lanze, um dann zum Schwert überzugehen. Hierbei wird erwähnt, wie laut und stark sein Schlag war. Der Kampf, der zunächst ebenbürtig erscheint, wird schließlich von Siegfried gewonnen, als er König Luidegast als Geisel gefangen nimmt. Daraufhin wird Siegfried von dreißig Gefolgsleuten Luidegasts angegriffen, die er alle bis auf einen tötet.
do slvoch der herre sivrit | daz al daz velt erdoz |
Da schlug der Degen Siegfried, dass rings das Feld erklang. |
do stovb vz dem helme | sam von brenden groz |
Da stoben aus dem Helme, als ob man Brände schwang, |
die viwerroten vanchen | von des heldes hant |
Die feuerroten Funken von des Helden Hand; |
ir ietweder den sinen | an dem andern vant |
Den seinen jedweder an dem andern wieder fand. |
(Strophe 186)
mit drien starchen wunden | di er dem kvnge slvoch | Mit dreien starken Wunden, die er dem König schlug, |
dvrch eine wize brvnne | div was gvot genvoch | Durch einen weißen Harnisch; der war doch fest genug. |
daz swert an sinen ekken | braht vz wunden blvot | Das Schwert mit seiner Schärfe entlockte Wunden Blut; |
des mvose der kvnec livdegast | habn trvorigen mvot | Da gewann der König Lüdegast einen traurigen Mut. |
er bat sich lebn lazen | vnt bot im siniv lant | Er bat ihn um sein Leben und bot ihm all sein Land, |
vnt sagt im daz er waere | livdegast genant | Und sagt' ihm wie er wäre Lüdegast genannt. |
do chomen sine rechen | di heten wol gesehen | Da kamen seine Recken, die hatten wohl gesehn |
waz da von in beiden | vf der warte was gescehn | Was da von ihnen beiden war auf der Warte geschehn. |
er wolde in fveren dannen | do wart er angerant | Er wollt ihn führen dannen: |
von drizech sinen mannen | do werte des heldes hant | Da ward er angerannt Von dreißig seiner Mannen: |
sinen richen gisel | mit vngefvegen slegen | Doch wehrte seine Hand seinen reichen Geisel mit ungestümen Schlägen: |
sit tet scaden mere | der vil zierliche degen | Bald tat noch größern Schaden Siegfried der stattliche Held. |
(Strophe 188-190)
Siegfried ist in dieser Szene zwar gewalttätig, aber nicht blutrünstig dargestellt, da er den König am Leben lässt, um durch seine Gefangennahme den Gegner zur Kapitulation zu bewegen. Er ist in diesem Kampf als ein starker, kühner und tapferer Mann beschrieben, ohne dabei auf seine Kleidung oder ähnliches einzugehen. Allein die Taten und Handlungen sind hier relevant, um ihn als mutigen Mann zu charakterisieren. Diese Darstellung zieht sich durch die darauffolgende Schlacht fort.
Zusammenfassend lässt sich sagen: „Nur in der 4. Aventuire bringt das Nibelungenlied eine derart einhergehende Kriegsdarstellung mit den verschiedenen Phasen von der Kriegserklärung über Verfahrensberatung, Aufgebot, Zug an den Kriegsschauplatz, Sicherung der Nachhut, Befehlsverteilung, Sondierung der Front, Einzelkampf zu Pferd und zu Fuß mit verschiedenen Waffen, allgemeine Kämpfe, Verwundung, Tötung, Gefangennahme bis zur Kapitulation und Heimkehr.“(Schulze 2008)
Weiterführende Literatur:
- Schulze, Ursula: Das Nibelungenlied. Stuttgart: Reclam, 2008.
Nibelungenlied:
- Simrock, Karl: Das Nibelungenlied. Übersetzung auf http://www.wissen-im-netz.info/literatur/simrock/nibel/index.htm
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Rohfassung von Karl Bartschs Edition:Der Nibelunge Nôt, mit den Abweichungen von Der Nibelunge Liet, den Lesarten sämmtlicher Handschriften und einem Wörterbuche, 1. Theil: Text, herausgegeben von Karl Bartsch. Leipzig: F.A. Brockhaus, 1870-1880. Online unter: http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/12Jh/Nibelungen/nib_n_00.html