Abschnittsübersicht

  • Gender und Sex als Denk-Kategorien in der Antike

    Sabine Vogt (Universität Bamberg, Klassische Philologie, Schwerpunkt Gräzistik)


    Bereits in der frühgriechischen Naturphilosophie des 6. Jh. v. Chr. wurden die Phänomene der Welt gerne in binären Oppositionen beschrieben und analysiert. Dabei werden an sich wertneutrale Gegensatzpaare wie ‘rechts – links’, ‘oben – unten’, ‘trocken – feucht’, ‘hart – weich’ und eben auch ‘männlich – weiblich’ schon früh mit Werturteilen wie ‘stark – schwach’ oder ‘gut – böse’ korreliert. Aristoteles führte im 4. Jh. v. Chr. in seinen umfangreichen Schriften zu Zoologie, Biologie und Physiologie die Kategorien ‘männlich’ und ‘weiblich’ auch zur Beschreibung von Charaktereigenschaften ein – besser gesagt: von anthropozentrischen Charakter-Zuschreibungen. Nach dieser Vorstellung kann es beispielsweise in der Tierwelt „männliche Löwenweibchen“ und „weibliche Panthermännchen“ geben und ebenso unter den Menschen „weibliche Männer“ und „männliche Frauen“. Damit finden wir bei ihm erstmals eine neue Denk-Kategorie mit weitreichenden Folgen: das gesellschaftsbestimmte ‘gender’ im Kontrast zum biologischen ‘sex’.