Konstellationsforschung als eine der methodischen Wurzeln unseres Projekts

Konstellationsforschung als eine der methodischen Wurzeln unseres Projekts

by Felix Lenz -
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Am 5. Januar feierte der Suhrkampverlag den 80. Geburtstag seines Autors und Philosophen Dieter Henrich (http://shrk.vg/DHenrich-Topthema).

Henrich begründete die Konstellationsforschung. Diese befreit die Untersuchung des deutschen Idealismus davon, nur systemimmanent zu argumentieren. Stattdessen sieht Henrichs alle, auch gegenläufig tarierte Systeme als Antwortsuchen in einem von den verschiedenen Akteuren geteilten problemgeschichtlichen Rahmen. Hierdurch legt er Fragen und äußere Dynamismen als aktivierende Subtexte frei, die verschiedenste Denkvorschläge überhaupt erst in Gang bringen. Jedes Werk, jeder Ansatz erweist sich darin als Splitter einer Konstellation, die über die Interaktion großer und kleiner Werke rekonstruiert wird. Auf diese Weise erweisen sich die Schriften als unabgeschlossene Versuche und die Konstellation als prozessoffenes immer weiter bewegliches Kraftfeld.

Für Konzeption und Methode der Tagung und unseres Bandes finden sich für mich hier zentrale Inspirationen. Denn eine Kernidee hierzu besteht darin, dass Konstellationsmodell und seine Fragevektoren von der Untersuchung der Emergenz des philosophischen Idealismus‘ abzulösen und diese Methoden stattdessen auf die Emergenz der Medienkultur zu übertragen. Statt des philosophischen Diskurses rund um 1800 gilt es also, die medialen und medienbildenden Ideen als Konstellation aufzufassen, in der ein problem- und bedürfnisgeschichtlicher Rahmen in einer ganzen Polymorphie von Feldern simultan Antwortsuchen herausfordert, die alle Splitter einer sie übersteigenden Konstellation bilden, die sich als Humus der heraufziehenden modernen Medienwelt erweisen lässt.

Insofern bilden wir als Forschungsgruppe eine Konstellation um 1800 und ihre Folgen ab, und der Dialog unserer Beiträge gibt dieser beweglichen Konstellation eine artikulierte und reflektierte Gestalt. Dabei fokussieren wir den Beginn und die Herausbildung dieser Konstellation, die sich bis heute immer fort weiterverwandelt.

Methodisch eingängiger, da weniger stoffbeladen als Henrich, dürfte als Anregung der Sammelband seiner Schüler Martin Mulsow und Marcello Stamm sein: Mulsow/Stamm (Hg.), Konstellationsforschung, Frankfurt/M, 2005.

Besonders Stamms Aufsatz „Konstellationsforschung. Ein Methodenprofil: Motive und Perspektiven“ bietet in dichter Form Untersuchungsmuster, die sich potentiell auf unseren Stoff übertragen lassen. In gewissem Sinne sind wir dabei auch schon weiter, da wir nicht nur mediale Konstellationen um 1800 untersuchen, sondern auch unseren eigenen Dialog als Konstellation unterschiedlicher Splitter des Gegenstandes organisieren.

Weitere Werke, die im erweiterten Sinn zum skizzierten Kreis gehören, und in denen sich Fragen zum Idealismus, seinen Vektoren in die Moderne und teils auch protomediale Fragen durchdringen, sind:

Peter Szondi, Poetik und Geschichtsphilosophie I, Frankfurt/M, 1974. Verschiebt man hier bei der Lektüre den Fokus vom Begriff Poetik auf mediale Strukturen, führt Szondi nah an unsere Forschung.

Robert B. Brandon, Wiedererinnerter Idealismus, Berlin, 2015.

Arndt, Andreas (Hg.), Hegel und die Moderne 1. Hegel Jahrbuch 2012, Berlin, 2012.

Arndt, Andreas (Hg.), Hegel und die Moderne 2. Hegel Jahrbuch 2013, Berlin, 2013.

Gethmann-Siefert, Annemarie (Hg.),Hegels Ästhetik als Theorie der Moderne, Berlin,2013.

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Re: Konstellationsforschung als eine der methodischen Wurzeln unseres Projekts

by Astrid Zenkert -

Das finde ich eine gute Anregung. "Konstellation" ist ein treffender Begriff, um einerseits die Vielfalt, andererseits die Zusammengehörigkeit der untersuchten Phänomene gleichzeitig zu benennen.

Wenn wir "Resonanzfelder" dieser Konstellation betrachten, vergleichen wir also zwei diachrone Konstellationen aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit. Wirklich schwierig finde ich es, das Verhältnis dieser Konstellationen zueinander über die bloße Parallelität hinaus zu benennen. Du sprichst von der Ausgangskonstellation als von einem Humus, aus dem etwas erwächst, veranschlagst also eine entwicklungsgeschichtliche Perspektive, die primär an einen kontinuierlichen Prozess denken lässt. Die Idee einer Resonanz, eines Echos oder Nachklangs impliziert wiederum ein ganz anderes Verhältnis: einen Widerhall über einen großen Abstand, über eine Kluft hinweg, eine Vorstellung also, die der in "Humus" evozierten Idee einer Kontinuität in Gestalt einer Entfaltung in gewissem Sinne entgegen zustehen scheint. Beides, sowohl die Entfaltungsbewgung ("Von der Idee zum Medium") als auch die in "Resonanz" mitschwingende Assoziation eines Wiederauflebnes oder eines intentionalen Wiederaufgreifens nach einem Bruch passen auf bestimmte Aspekte in der Relation der historischen und der aktuellen Konstellation.

Dieses Ineinander zu entwirren und zu beschreiben finde ich gerade eine ziemliche Herausforderung. HIer spüre ich die Grenzen des Einzelthemas und die Notwendigkeit eines grundlegenderen theoretischen Rahmens besonders deutlich. Deshalb: Vielen Dank, Christine und Felix, für das konzeptuelle Papier im Anhang Eurer mail. Das klingt sehr gut, aber auch sehr, sehr anstrengend. Einen Versuch ist es unbedingt wert!