1. Marginalisierte Männlichkeit

1.2. Narren

Der Hofnarr

"Als Narren galten im Mittelalter alle diejenigen, die aufgrund extrem abweichender Verhaltensformen,

aufgrund geistiger Defekte oder aufgrund körperlicher Anomalien und Gebrechen dem herrschenden

Normensystem nicht entsprachen" (Mezger, 58).

 

Der Narr war

  • ein Außenseiter

  • eine Verkörperung des Außergewöhnlichen

  • das Gegenteil des idealen Menschen

  • ein dummer Tor

und daher Ziel von Hohn.

Man kennt ihn heute noch als kecken Kerl mit

Eselsohrenkappe samt Glöckchen, der für Spaß und

Unterhaltung sorgt.

Oft wird er wie links auf dem Kupferstich aus dem 15. Jahrhundert

beim Musizieren dargestellt.

Zwischenzeitlich waren Narren so populär, dass sie in

sogenannten Wunderkammern zusammen mit anderen

merkwürdigen Stücken gesammelt wurden.

"Sie galten als Wunder der Natur" (Bernuth, 49).

Unter ihnen konnten man z.B. Riesen und Zwerge finden.

Diese Art von Narren wurden zu den "natürlichen Narren" (Bernuth, 53)

gezählt, die im Gegensatz zu den "Schalksnarren" (Bernuth, 53)

unfreiwillig aufgrund ihrer angeborenen körperlichen oder psychischen

Defizite komisch wirkten und für Gelächter sorgten.

 

(Mezger, Werner. Hofnarren im Mittelalter.

Universitätsbibliothek Konstanz GmbH,1981. S.68) 

 


Funktion am Hofstaat:

Im Laufe des Mittelalters wandelte sich die Rolle des Hofnarren und er nahm verschiedene Funktionen ein:

  • Entertainer: Allein die Andersartigkeit des Narren sorgte für seine Verspottung und dafür,

    dass die Menschen etwas zu lachen hatten.

  • Lehrer: In der Literatur wurde der Narr zu didaktischen Zwecken benutzt.

    Er sollte den Menschen falsches und sündhaftes Verhalten vor Augen führen

  • "Wissenden und Warner" (Mezger, 45), der vor allem den Herrscher auf

    "irdische Hinfälligkeit und Vergänglichkeit" (Mezger, 29) hinwies.

 

Gleichzeitig stellte der Narr aber auch eine Bedrohung für die Ordnung der Gesellschaft dar, da er sich nicht an

die Normen hielt. Durch seine "soziale Ausnahmestellung" (Mezger, 59) am Hof, konnte der Narr dem Herrscher

gegenüber alles sagen, was er wollte. Er genoss die sogenannte "Narrenfreiheit" (Mezger, 59).

In Anekdoten ist der Narr daher oft derjenige, der das ausspricht, was die "kleinen Leute den Mächtigen ihrer

Zeit gerne einmal selbst gesagt hätten" (Mezger, 70).

Bis heute nimmt der Narr eine Stellung als Beobachter seiner Zeit ein, wie zum Beispiel

Oskar in der Blechtrommel.

 

 


Weiterführende Literatur:

Bernuth, Ruth von: Aus den Wunderkammern in die Irrenanstalten. Natürliche Hofnarren im Mittelalter und früher Neuzeit. In: Kulturwissenschaftliche Perspektiven der Disability Studies (2003), S. 49-62.

Mezger, Werner: Hofnarren im Mittelalter. Vom tieferen Sinn eines seltsamen Amtes. Konstanz 1981.

Schillinger, Jean (Hrsg.): Der Narr in der deutschen Literatur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. In: Jahrbuch für Internaionale Germanistik. Bern 2009 (= A, 96).