5. Macht

5.1. Machtmittel: Quellen der Macht


Die von Weber (1972) postulierte „Chance“ zur sozialen Einflussnahme, setzt Machtmittel voraus, die Personen oder Gruppen zur Durchsetzung ihrer Ziele einsetzen können. Was sind das für Mittel? Welche Formen der Machtausübung sind denkbar? Die Sozialpsychologen French und Raven unterscheiden fünf verschiedene „Machtquellen“.

Machtquellen nach French & Raven (1959)

  • Belohnungsmacht (reward power)
  • Sanktionsmacht (coercive power)
  • Expertenmacht (expert power)
  • Identifikationsmacht (referent power)
  • Legitimationsmacht (legitimate power)


Belohnungsmacht

Belohnungsmacht (reward power) entsteht nach French & Raven (1959) aus Ressourcen der einen Partei, die es ihr ermöglichen Belohnungen zu vergeben. Diese Belohnungen können materieller oder immaterieller Natur sein. Innerhalb einer Organisation kann z.B. die Möglichkeit zur Lohnerhöhung (materielle Belohnung) oder die Vergabe von Lob und Anerkennung (immaterielle Belohnung) Machtbasen von Vorgesetzten sein. Es ist dabei aber zu beachten, dass Machtbasen immer relativ sind. Ob etwas eine Belohnung für jemanden darstellt, ergibt sich aus der subjektiven Sicht des zu Beeinflussenden. Die Anerkennung, das Lob durch den Vorgesetzten kann für den einen Mitarbeiter wichtig sein und damit Belohnungscharakter haben, für einen anderen Mitarbeiter kann dies völlig belanglos sein. Auch eine Lohnerhöhung kann für einen jungen Familienvater mit hohen finanziellen Verpflichtungen fast schon lebenswichtig sein, für einen älteren oder grundsätzlich vermögenden Mitarbeiter kann sie fast völlig unwichtig sein. Auch die oben gemachte Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Belohnungen ist als relativ anzusehen. Der gerade geschilderte ältere oder vermögende Arbeitnehmer mag zwar die Lohnerhöhung nicht als materielle Belohnung ansehen, sie aber trotzdem als Anerkennung oder Lob empfinden und deshalb dem Willen des Vorgesetzten folgen.

Belohnungen für Belohnungsmacht

Nach Fischer und Wiswede (2014, S. 552-553) wird die potentiell Macht ausübende Partei Belohnungen umso eher einsetzen:

  • je kostengünstiger Belohnungen zur Verfügung stehen,
  • je weniger man selbst auf diese Mittel angewiesen ist,
  • je eher man davon ausgeht, dass die andere Partei dies auch als Belohnung ansieht
  • je eher man eine langfristige Zusammenarbeit mit der anderen Partei anstrebt
  • je mehr man für die andere Partei attraktiv sein will.


Sanktionsmacht

Sanktionsmacht (coercive power) entsteht durch die Möglichkeit einer Partei Zwang auszuüben. Dies kann durch die Androhung von physischer Bestrafung passieren (z.B. Folterandrohung), durch Androhung materieller Verluste (z.B. Degradierung, Strafzettel) oder durch den Entzug von Anerkennung, Lob und Liebe.

Die beiden folgenden Videobeispiele (siehe Wiki) zeigen den Einsatz von Sanktionsmacht/Belohnungsmacht bei der Zusammenstellung eines Projektteams. Ob diese Macht jedoch auch Wirkung zeigt, ist aber auch davon abhängig, ob die Person, auf die Macht ausgeübt werden soll, die Sanktion für sich auch als Verlust bzw. Bestrafung ansieht (siehe Belohnungsmacht).

Bedingungen für Sanktionsmacht

Sanktionsmacht kommt nach Tedeschi und Felson (1994) vor allem zum Einsatz,

  • wenn keine anderen Machtbasen – mehr – vorhanden sind (z.B. letzte Option im Erziehungsverhalten)
  • wenn der Machtausübende Befriedigung/Genugtuung aus der Unterwerfung anderer schöpft 
  • wenn der Machtausübende schnelle Erfolge (z.B. Umsatzsteigerung oder Aufmerksamkeit durch Vorgesetzte) erzielen will und dabei langfristige negative Folgen ausblendet
  • wenn Bestrafung durch Autoritäten gefordert wird.


Expertenmacht

Expertenmacht entsteht, wenn einer Partei Wissen über den Realitätsbereich zugeschrieben wird, über das die andere Partei nicht verfügt. Im Allgemeinen gilt das für die verschiedenen Berufsgruppen bzw. Berufe, die auf irgendeiner Art von Ausbildung (z.B. Lehre, Studium) beruhen.

Beispiel B.02.20: Macht als sozialer Einfluss (2)

Der Hinweis des Arztes auf die Schädlichkeit des Rauchens oder die Aufforderung von Klimaexperten auf den Gebrauch von FCKW-Produkten zu verzichten gehört in diese Kategorie.

In beiden Fällen wird eine Partei geneigt sein, dem Willen der Experten nachzukommen, wenn sie ihm spezielles Wissen über die Entstehung von Krebs oder des Ozonlochs zubilligt.


Legitimationsmacht

Verkehrszeichen – wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen und Parkverbote – stellen den Versuch dar, Verhalten durch legitimierte Macht zu beeinflussen. Verkehrsteilnehmer befolgen diese Einschränkungen, wenn sie daran glauben, dass die Straßenverkehrsbehörde legitimiert ist, Verhalten einzuschränken. Legitimate Power setzt in einer Gruppe, Organisation oder Gesellschaft eine starke und klare (transparente) Hierarchie voraus.


Identifikationsmacht

Referenz- oder Identifikationsmacht entsteht durch Fähigkeit des Machtausübenden, bei den Bezugspersonen ein Gefühl der Verbundenheit hervorzurufen. Ein Kind oder ein Jugendlicher können der Anweisung oder dem Rat eines Erziehers gegen ihren eigenen Willen folgen, weil sie davor zurückschrecken die Referenzperson zu enttäuschen und damit negative emotionale Konsequenzen für sich erwarten. Diese Machtbasis entsteht durch das Verlangen einer Partei sich mit dem Machtausübenden zu identifizieren. Führungspersonen mit hohem Charisma sind dazu fähig, dieses Motiv bei Gruppenmitgliedern zu wecken.


Informationsmacht

Informationsmacht bezieht sich auf Verfügbarkeit von Information und Informationskanälen als Ressourcen für die Machtausübung. Das gezielte Streuen von Informationen oder das Vorenthalten dieser kann Parteien dazu bringen gegen ihren bisherigen Willen ein gewünschtes Verhalten zu zeigen oder ein unerwünschtes einzustellen. Das Agieren der US-Regierung gegenüber der UNO vor dem zweiten Irak-Krieg kann hier als Beispiel dienen. Die – falsche – Information, der Irak verfüge über einsatzfähige Massenvernichtungsmittel veranlasste bisher zögerliche Staaten zum Einlenken.