3. Führung


Ein eingeborener Pfadfinder führt eine Expedition zu den Jagdgründen. Ein Offizier führt seine Einheit in das Gefecht. Eine Führung durch ein Museum gefällt den Besuchern (oder auch nicht). Die Führung eines Unternehmens wird durch die Aktionäre kritisiert. Führung ist im deutschen Sprachgebrauch ein vielschichtiger Begriff. Auch in der wissenschaftlichen Terminologie kann nicht von einer einheitlichen Definition des Führungsbegriffes ausgegangen werden. Weibler (2012) versucht bestehende Bestimmungsversuche in folgender Definition zusammenzufassen:

„Führung heißt andere durch eigenes, sozial akzeptiertes Verhalten so zu beeinflussen, dass dies bei den Beeinflussten mittelbar oder unmittelbar ein intendiertes Verhalten bewirkt“ (Weibler, 2012, S. 19).

Dieser Versuch kann aber nicht befriedigen. Wie kann nach dieser Definition „Führung“ von „Erziehung“ abgegrenzt werden? Besteht überhaupt ein Unterschied? Könnte mit der beschriebenen Definition nicht auch jedes sozial erfolgreiche Handeln beschrieben werden? Also auch z.B. der erfolgreiche Versuch sich einer Bedienung in einem Lokal bemerkbar zu machen und das intendierte Verhalten zu bewirken? Würden wir dieses als erfolgreiche Führung bezeichnen? Wohl kaum! Ein Definitionsversuch von von Rosenstiel kommt der Realität näher:

„Meist wird man bei der Nennung des Wortes Führung an das Handeln von betrieblichen Vorgesetzten denken, die sich bemühen, die Arbeit der ihnen unterstellten Personen zielgerichtet zu aktivieren und zu steuern “ (von Rosenstiel, 1999, S. 412).

In den weiteren Ausführungen konstatiert von Rosenstiel (1999) allerdings auch, dass der „Begriff der Führung so weit“ ist, „dass er sich für eine interdisziplinär-vergleichende Analyse eignet und selbst als Einfluss in Organisationen ganz verschiedene Aspekte aufweist“ (von Rosenstiel, 1999, S. 412).

Während die Bestimmung durch von Rosenstiel den Aspekt der Organisation (hier des Betriebes) in den Blickpunkt rückt, wird ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt vernachlässigt. Rosenstiel spricht hier von „Vorgesetzten“ und „unterstellten Personen“. Kann Führung nur in eine Richtung, von „oben“ nach „unten“, geschehen? Eine weitere interessante Perspektive wird hier von Staehle et al. (1999) eingebracht:

„Unter Führung verstehe ich (Staehle 1973, S. 15) die Beeinflussung der Einstellungen und des Verhaltens von Einzelpersonen sowie der Interaktionen in und zwischen Gruppen, mit dem Zweck, bestimmte Ziele zu erreichen. Führung als Funktion ist eine Rolle, die von Gruppenmitgliedern in unterschiedlichem Umfang und Ausmaß wahrgenommen wird“ (Staehle et al., 1999, S.328,).

Führung wäre demnach eine Verhaltensbeeinflussung, die sowohl von „oben“ nach „unten“, als auch in der entgegengesetzten Richtung verlaufen kann. Zusätzlich kann hier auch eine Verhaltensbeeinflussung zwischen verschiedenen Gruppen als Führung verstanden werden. Einen umfassenden Definitionsversuch liefert Weinert (1989):

  1. Führung ist ein Gruppenphänomen (das die Interaktion zwischen zwei oder mehreren Personen einschließt);
  2. Führung ist intentionale soziale Einflussnahme (wobei es wiederum Differenzen darüber gibt, wer in einer Gruppe auf wen Einfluss ausübt und wie dieser ausgeübt wird, u.v.m.);
  3. Führung zielt darauf ab, durch Kommunikationsprozesse Ziele zu erreichen.
(Weinert, 1989, S. 555)

In eine ähnliche Richtung zielt der systemtheoretische Definitionsversuch von Badke-Schaub & Stempfle (2004). Führung wird hier nicht als ein einzelnes Verhalten (zielbezogene Beeinflussung, Strukturiertheit von Interaktion, etc.), auch nicht als Summe von Aktivitäten, sondern vielmehr als zentrale Funktion in sozialen Systemen, die sich mit der Steuerung des Systems befasst gesehen (Badke-Schaub & Stempfle, 2004). Das Verhalten, das gezeigt wird, unterscheidet sich nach Badke-Schaub & Stempfle zunächst nicht von anderem Verhalten. Führungsverhalten ist ohne seine funktionale Einbettung, ohne die Steuerungsfunktion, der das Verhalten im Kontext des sozialen Systems dient, nicht als Führungsverhalten zu identifizieren. In diesem systemtheoretischen Zusammenhang wäre Führung nur in ihrer Funktion zu bestimmen und nicht in ihrer Position in der Hierarchie und auch nicht in ihrer Absicht der Verhaltensänderung. Es ist nicht verwunderlich, dass im Gefolge der Uneinheitlichkeit der Definitionsversuche auch verschiedene Theorie(-familien) zur Führung entstanden sind:

  • Eigenschaftstheoretische Ansätze
  • Verhaltensorientierte Theorieansätze
  • Situative Führungstheorien
  • Path – Goal Theorien der Führung
  • Transaktion versus Transformation
  • Charisma-Theorie