5 Therapeutischer Prozess


5.1 Aufgaben des/der Therapeut:in

Wie in allen Therapieformen ist auch hier der Aufbau einer wertschätzenden therapeutischen Beziehung essentiell für den Erfolg der Zusammenarbeit. Das Verhalten der Patient:innen sollte stets als bisher bestmöglicher Lösungsversuch anerkannt werden, der mit Hilfe des/der Therapeut:in optimiert werden kann. Dies ist wichtig, um das häufig vorhandene Schamgefühl der Patient:innen zu reduzieren und die Hoffnung auf Besserung zu stärken. Wenn Problemverhalten gezeigt wird, so sollte der/die Therapeut:in dies einfühlsam-konfrontierend ansprechen und nachvollziehbare Grenzen setzen, indem er/sie auch seine/ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse einbringt. 

Diese wertschätzende und unterstützende Haltung des/der Therapeut:in ermöglicht den Patient:innen eine korrigierende Beziehungserfahrung zu machen und die eigenen Grundbedürfnisse zu befriedigen. 

Gleichzeitig hilft der/die Therapeut:in dem/der Patient:in dabei, angemessen mit der Bewältigung von Schwierigkeiten im Leben umzugehen. Unterstützung und Grenzsetzung müssen dabei flexibel ausbalanciert werden. Dies bezeichnet man auch als "begrenzte Nachbeelterung".  Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine zu ausgeprägte Nachbeelterung den/die Patient:in von dem/der Therapeut:in abhängig machen kann. 

Durch die empathische Konfrontation wird der/die Patient:in von einem Erlebens- in einen Reflexionszustand überführt, in dem er/sie sein/ihr Erleben verstehen und neu darauf reagieren kann. 

Der/die Therapeut:in dient also als ein Modell, mit dem die Patient:innen neue Lösungsstrategien in einem sicheren Kontext erproben und dadurch verinnerlichen können, bis sie selbst einen „gesunden Erwachsenen“ aufbauen und einsetzen können.

5.2 Therapeutische Techniken

In der Schematherapie, wie auch allgemein in der Verhaltenstherapie, werden verschiedene therapeutische Techniken (z.B. Rollenspiele, Hausaufgaben) miteinander kombiniert. Eine besondere Bedeutung kommt in der Schematherapie den emotionsaktivierenden Strategien zu, da die Emotionsaktivierung als fundamentaler Wirkfaktor angesehen wird. Zentral sind hierbei imaginative Verfahren, der sogenannte Stuhldialog und die Körperarbeit. Diese Ansätze wollen wir Ihnen im Folgenden etwas genauer erläutern. 

Imagination 

Ausgehend von einer stark belastenden emotionalen Aktivierung in der Gegenwart werden Imaginationsübungen dafür genutzt, Zugang zu der ursprünglich belastenden Situation in der Kindheit der Patient:innen zu erhalten. In der Situation von damals wurden ähnliche affektive Zustände erlebt, die den aktuellen schmerzhaften Kind-Modus prägen. Der Zugang zu biographischen Erlebnissen und Verletzungen wird dadurch erleichtert, dass durch die Imagination entsprechende neuronale Netzwerke aktiviert werden. 

In der Schematherapie werden verschiedene Arten von Imagination unterschieden: 

  • Diagnostische Imagination
    Bei der diagnostischen Imagination wird ausgehend von einem in einer aktuellen Situation aktivierten Gefühl der Rückbezug zu der damit verbundenen Kindheitssituation angeleitet. Gezielte Fragen ermöglichen es dem/der Patient:in die Kindheitssituation und die damit verbundenen Gefühle gezielt wiederzuerleben. 
  • Imaginatives Überschreiben
    Beim imaginativen Überschreiben wird das frustrierte emotionale Grundbedürfnis des Kindes identifiziert und gesund erwachsen befriedigt. Der/die Patient:in selbst, eine helfende Figur oder der/die Therapeut:in kommt als gesunde/r Erwachsene:r in das Bild, um die Situation so zu verändern, dass dysfunktionale fordernde oder strafende Bezugspersonen konfrontiert und entmachtet und die Grundbedürfnisse des Kindes validiert und befriedigt werden (gleichbedeutend mit Nachbeelterung). 
  • Ressourcenaktivierende Imagination
    Diese Form der Imagination zielt darauf ab, Facetten des Modus des gesunden Erwachsenen und des glücklichen Kindes zugänglich zu machen. Fast jede Person hat in ihrer Kindheit auch positive Erfahrungen mit Bezugspersonen gemacht, die in der aktuellen Situation nutzbar gemacht werden können. Ausgangspunkt ist auch hierbei eine aktuelle Situation, in der bei dem/der Patient:in jedoch positive Gefühle vorherrschen. Durch die Herstellung einer „Affektbrücke“ in die Kindheitssituation mittels der instruierten Imagination, werden gezielt die Bedingungen erkundet, die zu dem angenehmen Gefühl geführt haben. Daraus kann abgeleitet werden, was notwendig ist, um sich zufrieden, ausgeglichen, geborgen usw. zu fühlen. Diese Bedingungen werden abgespeichert, um sie im Hier und Jetzt bewusst abrufen zu können. 
Stuhldialog

Eine weitere Technik, die ursprünglich aus der Gestalttherapie stammt und in der Schematherapie eine große Bedeutung spielt, ist die Stuhlarbeit. Die Anwendungsmöglichkeiten sind hierbei sehr vielfältig. Allen Variationen gemeinsam ist, dass der/die Therapeut:in dem/der Patient:in unterschiedliche Stühle anbietet, zwischen denen gewechselt werden kann, um die unterschiedlichen Modi voneinander zu trennen und miteinander in Kontakt kommen zu lassen. Hierfür setzt der/die Patient:in seine verschiedenen inneren Anteile symbolisch auf die Stühle und führt einen Dialog zwischen ihnen. Indem der/die Patient:in sich auf einen der Stühle setzt, nimmt er/sie die Perspektive des zugeordneten Modus ein und spricht aus dessen Perspektive (Berbalk & Young, 2009). 

Diese Technik ermöglicht es, den inneren Dialog nach außen zu bringen und sich so bewusst von dem sonst automatisch agierenden inneren System zu distanzieren. Die strafenden Modi können hier verbal konfrontiert, zurechtgewiesen und des Platzes verwiesen werden, indem die Position ihres Stuhls im Raum verändert oder der Stuhl vor die Tür gesetzt wird. 

Im Folgenden können Sie sich einen Beispiel-Stuhldialog als Audio anhören: 

  

Je nachdem, was für Sie besser passt, können Sie sich den Therapiedialog auch durchlesen, indem Sie auf den folgenden Button klicken:

Quelle: angelehnt an Roediger & Zarbock, 2013, S. 203-204

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Körperarbeit

Die Körperarbeit sollte jede schematherapeutische Intervention begleiten. Durch wiederholtes gezieltes Nachfragen sollen die Patient:innen lernen, ihre Modi anhand ihrer somatischen Ausdrucksform achtsam zu erkennen, um diese im Alltag leichter wahrnehmen und eingreifen zu können. Auch der Modus des gesunden Erwachsenen sollte im Körper verankert werden, wodurch der Wechsel in diesen Modus erleichtert werden soll. 

Beispielsweise können die Patient:innen auch in Imaginationen oder im Stuhldialog zur Nutzung ihres Körperempfindens angeleitet werden. Hierbei könnte das Sich-Aufrichten oder ein tiefes Durchatmen den Wechsel in den Erwachsenenmodus einleiten.