3. Schematherapie

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Kurs: Drei Wellen der Verhaltenstherapie (vhb-Kursdemo)
Buch: 3. Schematherapie
Gedruckt von: Gast
Datum: Donnerstag, 21. November 2024, 22:36

Beschreibung

1 Entstehung

2 Indikation

3 Schema-Modell

  • 3.1 Maladaptive Schemata
  • 3.2 Grundbedürfnisse
  • 3.3 Bewältigungsreaktionen

4 Modus-Modell

  • 4.1 Begriffsklärung
  • 4.2 Problematische Eltern-Modi
  • 4.3 Problematische Kind-Modi
  • 4.4 Problematische Bewältigungsmodi
  • 4.5 Gesunde Modi

5 Therapeutischer Prozess

Empirische Befunde

1 Entstehung


Die Schematherapie wurde von Jeffrey Young, einem Schüler von Joseph Wolpe und Mitarbeiter Aaron Becks, entwickelt. Young stellte fest, dass besonders Patient:innen mit Persönlichkeitsstörungen nur unzureichend aus der kognitiven Verhaltenstherapie profitieren. Dies führte er auf die Aktivierung bestimmter belastender Emotionen zurück, aufgrund derer die Entwicklung einer tragfähigen therapeutischen Beziehung und somit auch der therapeutische Prozess erschwert werden. 

Durch eine enge Auseinandersetzung mit der Gestalttherapie erkannte Young die Bedeutung von Techniken zur Aktivierung und Bearbeitung dieser emotionalen Prozesse. 

Das zunächst als Erweiterung der kognitiven Therapie betrachtete Konzept der Schematherapie war bis Ende der 1980er Jahre noch stark von dessen Vorgehensweise geprägt, wurde aber stetig weiterentwickelt. 

1990 beschrieb Young zum ersten Mal das Schema-Modell (vgl. Abschnitt 3 Schema-Modell), das er dann im Jahre 2000 um das Modus-Modell (vgl. Abschnitt 4 Modus-Modell) erweiterte (Roediger, 2018). Dadurch näherte sich der Ansatz auch zunehmend psychodynamisch orientierten Modellen an. 

Dies lässt sich auch an folgenden drei Aspekten erkennen, die in der Schematherapie stark betont werden (Safran & Segal, 1996):

  1. Die Bedeutung von frühkindlichen Erfahrungen für die Genese von Störungen.
  2. Viele entscheidende Prozesse sind nicht bewusst, sondern automatisch oder unbewusst.
  3. Die Abhängigkeit einer gelingenden Therapie von der Gestaltung der therapeutischen Beziehung und der positiven Bewältigung der darin auftretenden Konflikte.

Diese Punkte kommen Ihnen möglicherweise aus psychoanalytischen Therapieformen bekannt vor. Im Unterschied zur Psychoanalyse wird hier aber ein anderer Lösungsweg gewählt: Statt Trieben und deren Bewältigung stehen hier psychologische Grundbedürfnisse des Menschen und deren mögliche Frustration im Entwicklungsverlauf im Mittelpunkt (vgl. Abschnitt 3.2 Grundbedürfnisse) des Therapieverständnisses (Roediger, 2018). 

Als lösungsbringendes Prinzip beschreibt Young den sogenannten Modus des gesunden Erwachsenen (vgl. Abschnitt 4.5 Gesunde Modi), den wir Ihnen in diesem Kapitel auch näher beschreiben werden. Aber wann wird die Schematherapie eigentlich eingesetzt? Das wollen wir Ihnen im folgenden Abschnitt erläutern.


2 Indikation

Als Ergänzung zur kognitiven Verhaltenstherapie ist die Schematherapie für alle Patient:innen geeignet, die auch mit der KVT behandelt werden können. 

Wie bereits erwähnt, legte Young ein besonderes Augenmerk auf Patient:innen mit Persönlichkeitsstörungen, die aus der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie allein nicht ausreichend profitierten. 

Somit ist die Schematherapie für fast alle Störungsbilder im ICD-10 der Kategorie F einsetzbar, ausgenommen der in F7 beschriebenen Intelligenzminderung und in F8 beschriebenen Entwicklungsstörungen (Heidenreich & Michalak, 2013). 

Außer der Dialektisch-Behavioralen Therapie (vgl. Kapitel 4 - DBT), die insbesondere für die Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt wurde, gab es bisher keine spezifischen Methoden zum Umgang mit Persönlichkeitsstörungen. Die Schematherapie weitet diese Möglichkeit auch auf andere Persönlichkeitsstörungen aus.


3 Schema-Modell

3.1 Maladaptive Schemata

Young geht davon aus, dass durch bestimmte Kindheitserlebnisse, beispielsweise negative Beziehungserfahrungen mit den Eltern, vorsprachliche Erinnerungen im impliziten Gedächtnis entstehen, die er als frühe "maladaptive Schemata" bezeichnete (Young et al., 2005). 

Diese neuronalen Gedächtnisspuren entstehen dann, wenn ein Grundbedürfnis eines Kindes nicht angemessen befriedigt wird. Sie sind therapeutisch deshalb interessant, da sie eine große Bedeutung für spätere Erwartungshaltungen und selektive Verarbeitungsprozesse haben und somit auch Erfahrungen im Erwachsenenalter prägen. Das Vorliegen dieser „Lebensmuster“ konnte über mehrere Kulturen hinweg gut belegt werden (Roediger & Zarbock, 2013). 

Durch die ständige Weiterentwicklung des Modells änderte sich auch die Zahl der beschriebenen Schemata, wobei in der finalen Version 18 Schemata beschrieben werden. Diese können wiederum fünf Domänen zugeordnet werden. In der folgenden Tabelle sehen Sie eine Übersicht über die 18 Schemata, welchen Domänen sie angehören und welche Grundbedürfnisse bei deren Entstehung nicht ausreichend befriedigt wurden. Außerdem können Sie sich unter folgendem Link Definitionen zu den einzelnen Schemata und dazugehörige Fallbeispiele anschauen: https://www.schematherapie-rhein-ruhr.de/schemata-nach-j-young/


3.2 Grundbedürfnisse

Wie bereits beschrieben, geht man davon aus, dass maladaptive Schemata durch unbefriedigte Grundbedürfnisse entstehen. Menschen haben eine Reihe dieser zentralen Grundbedürfnisse, die angeboren sind und lebenslang bestehen. 

Besonders in der Kindheit und Jugend ist die entwicklungsgerechte Erfüllung dieser durch die primäre/n Bezugsperson/en unerlässlich. 

Es werden 5 Grundbedürfnisse unterschieden, die wir Ihnen im Folgenden kurz vorstellen wollen (Bender et al., 2017): 


3.3 Bewältigungsreaktionen 

Infolge der Aktivierung von Schemata entstehen sogenannte "Bewältigungsreaktionen". Hierbei handelt es sich um früh erlernte, später automatisiert eingesetzte Handlungs- und Denkweisen, die meistens dazu dienen, das frustrierte Grundbedürfnis (z.B. nach Bindung) indirekt doch noch oder kompensatorisch ein anderes Grundbedürfnis (z.B. nach Autonomie) zu erfüllen. 

Aktivierte Schemata lösen meist starke und schmerzhafte (primäre) Emotionen aus. Um sich davor zu schützen, gibt es drei mögliche Reaktionen: 


Diese Bewältigungsformen entwickeln sich lebensgeschichtlich früh und verfestigen sich zu Bewältigungsstilen. Im Kindesalter stellen sie funktionale Wege dar, um mit den unbefriedigten Grundbedürfnissen umzugehen. 

Werden sie jedoch auch im Erwachsenenalter unverändert eingesetzt, so entstehen problematische Bewältigungsmodi (mehr dazu folgt in Abschnitt 4.4 Problematische Bewältigungsmodi).

Beispiel: Maria T. (32) hat als Kind immer wieder miterlebt, wie ihre herrschsüchtige und zeitweise schwer depressive Mutter unvermittelt einen kleinen Koffer packte und ankündigte, die Familie jetzt für immer zu verlassen. So bildete sich u.a. das Schema „Verlassenheit/Instabilität (im Stich lassen)“, das immer dann aktiviert wird, wenn Frau T. bemerkt, dass sich eine Zeit lang niemand aktiv nach ihr erkundigt hat. Sie fühlt sich dann elementar und schmerzhaft einsam. Üblicherweise beginnt sie daraufhin eine Folge kurzer sexueller Bekanntschaften, bei denen sie die Männer jeweils am anderen Morgen verächtlich wieder verlässt. Das gibt ihr ein „gutes Gefühl“ (Grundbedürfnisse: Autonomie und Kontrolle, Selbstwerterhöhung). Aufgrund von periodisch ausgeprägtem Suchtmittelkonsum (Grundbedürfnis: Unlustvermeidung) kommt sie wiederholt in die Klinik, wo sie jeweils ein unselbstständiges und enges Verhältnis zur Therapeutin sucht (Grundbedürfnis: Bindung).


4 Modus-Modell

4.1 Begriffsklärung

Das Modus-Modell versteht die menschliche Persönlichkeit als ein Zusammenspiel aus unterschiedlichen Modi. 

Ein "Modus" (lat. „Art und Weise“, z.B. Modus des wütenden Kindes) beschreibt den aktuellen, vorübergehenden, komplexen Erlebenszustand, in den Menschen bei Schemaaktivierung hineinkommen und aus dem heraus sie mit Bewältigungsmodi handeln. 

Es lassen sich vier Grundelemente unterscheiden: 

  • Elternmodi
  • Kindmodi
  • Bewältigungsmodi
  • Gesunde Modi

Diese bilden den Grundstein für die schematherapeutische Fallkonzeption und dienen als Basis und Bezugsrahmen für die weitere Therapie (Roediger, 2018). 

4.2 Problematische Eltern-Modi

Häufige Themen in der Therapie sind Selbstvorwürfe, Schuldgefühle und Selbsthass (Gilbert et al., 2004). Die Schematherapie geht davon aus, dass es sich bei diesen Selbstabwertungen um internalisierte Fremdbewertungen handelt. 

Durch die Sozialisation wird aus Fremdkommunikation (z.B. „Du bist nicht gut genug.“) Selbstkommunikation (z.B. „Ich bin nicht gut genug.“) . Diese „inneren Stimmen“ werden in strafende und fordernde innere Elternmodi unterteilt:

  • Strafender Elternmodus: In diesem Modus sind Menschen davon überzeugt, dass Selbststeuerung durch Selbstbestrafung erfolgt. Dieser Modus ist geprägt von Selbsthass, Selbstkritik & Selbstabwertungen (z.B. “Wenn jemand dich richtig kennenlernt, wird er sich abwenden”).
  • Fordernder Elternmodus: In diesem Modus haben Menschen übermäßige bis massiv überhöhte (perfektionistische) Erwartungen an sich selbst (z.B. “Stell deine Bedürfnisse nicht in den Vordergrund, das ist egoistisch” oder “Wenn es nicht perfekt ist, ist es nichts wert”). 

4.3 Problematische Kind-Modi 

Kind-Modi treten dann auf, wenn eine Person intensive, negative, belastende oder überwältigende Gefühle erlebt, die in Bezug auf die aktuelle Situation - objektiv betrachtet - nicht angemessen sind. Man unterscheidet hier zwischen folgenden problematischen Kind-Modi (vgl. Faßbinder, Schweiger & Jacob, 2016):


Aufgabe des/der Therapeut:in ist es, zu den Kind-Modi vorzudringen und sie für den/die Patient:in offenzulegen, um sie dann zu re-externalisieren, also herauszuarbeiten, dass sie nicht Teil des/der Patient:in sind, sondern lediglich Aussagen außenstehender Personen aus der Vergangenheit, die gar nicht tatsächlich auf ihn/sie zutreffen müssen. 

Hierfür kann man beispielsweise folgende Frage nutzen: „Was sagt die Stimme in Ihrem Kopf dazu, wenn ich mich Ihnen so zuwende und Sie tröste?“. Wenn die inneren bewertenden und antreibenden Stimmen überwiegen, könnte eine potentielle Antwort des/der Patient:in folgendermaßen lauten: „Ich habe versagt, ich bin schuld, das habe ich gar nicht verdient.“ Dies zeigt die Unterordnung unter die unbewusst übernommene Bewertung. Diese Antwort kann dann gemeinsam mit dem/der Patient:in zur Einstellungsänderung in Innere-Eltern-Sätze umformuliert werden, also in die ursprüngliche Formulierung der Bezugsperson, z.B.: „Du hast versagt, du bist schuld, du hast das nicht verdient“. Dies ist der erste Schritt zur Re-Externalisierung der verinnerlichten Schemata. Jedoch sollte man nicht vergessen zu betonen, dass es sich hierbei nur um Teil-Repräsentationen der Eltern/Bezugspersonen handelt und die Eltern/Bezugspersonen sich häufig auch förderlich verhalten haben bzw. verhalten. 

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Elternstimmen mittels eines Stuhldialogs bewusst vor die Tür zu setzen und zu verbannen (vgl. Abschnitt 5 Therapeutischer Prozess).

4.4 Problematische Bewältigungsmodi

Hierbei handelt es sich um ursprünglich adaptive Strategien zur Spannungsreduktion im Umgang mit den durch die Eltern- und Kind-Modi ausgelösten negativen Emotionen. 

Kommen diese jedoch in unveränderter Form im Erwachsenenalter zum Einsatz, sind sie häufig unangemessen und dysfunktional, was zu (sozialen) Folgeproblemen führen kann. 

Man unterscheidet zwischen Unterwerfung, Vermeidung und Überkompensation (vgl. Faßbinder, Schweiger & Jacob, 2016):


4.5 Gesunde Modi

Modus des gesunden Erwachsenen

In diesem Modus sind Menschen in der Lage, Emotionen zu bewältigen und Probleme zu lösen. Sie akzeptieren ihre Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse und behandeln sich selbst auch bei Misserfolgen wertschätzend. Bei Entscheidungen orientieren sie sich an ihren Zielen und Werten. Ein Hauptziel der Therapie besteht darin, diesen Modus zu fördern und zu stärken, insbesondere wenn er zu Beginn der Therapie noch schwach ausgeprägt ist.

Der gesunde Erwachsenenmodus steht nicht im Widerspruch zu den kindlichen Modi. Menschen im gesunden Erwachsenenmodus zeigen Verständnis für die Bedürfnisse der kindlichen Modi und setzen angemessene Grenzen für den wütenden und impulsiven Kind-Modus. Dadurch schützen sie sich und die kindlichen Modi vor dem strafenden Modus und schaffen ein Gefühl der Sicherheit. Dies reduziert die Notwendigkeit, auf Bewältigungsmodi zurückzugreifen.

Modus des fröhlichen Kindes

In diesem Modus nutzen Menschen Freiräume, um spielerisch, ausgelassen, fröhlich und spontan zu sein. Dieser Modus repräsentiert eine gesunde und adaptive Seite der Persönlichkeit, in der positive Gefühle und Selbstausdruck gefördert werden.





5 Therapeutischer Prozess


5.1 Aufgaben des/der Therapeut:in

Wie in allen Therapieformen ist auch hier der Aufbau einer wertschätzenden therapeutischen Beziehung essentiell für den Erfolg der Zusammenarbeit. Das Verhalten der Patient:innen sollte stets als bisher bestmöglicher Lösungsversuch anerkannt werden, der mit Hilfe des/der Therapeut:in optimiert werden kann. Dies ist wichtig, um das häufig vorhandene Schamgefühl der Patient:innen zu reduzieren und die Hoffnung auf Besserung zu stärken. Wenn Problemverhalten gezeigt wird, so sollte der/die Therapeut:in dies einfühlsam-konfrontierend ansprechen und nachvollziehbare Grenzen setzen, indem er/sie auch seine/ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse einbringt. 

Diese wertschätzende und unterstützende Haltung des/der Therapeut:in ermöglicht den Patient:innen eine korrigierende Beziehungserfahrung zu machen und die eigenen Grundbedürfnisse zu befriedigen. 

Gleichzeitig hilft der/die Therapeut:in dem/der Patient:in dabei, angemessen mit der Bewältigung von Schwierigkeiten im Leben umzugehen. Unterstützung und Grenzsetzung müssen dabei flexibel ausbalanciert werden. Dies bezeichnet man auch als "begrenzte Nachbeelterung".  Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine zu ausgeprägte Nachbeelterung den/die Patient:in von dem/der Therapeut:in abhängig machen kann. 

Durch die empathische Konfrontation wird der/die Patient:in von einem Erlebens- in einen Reflexionszustand überführt, in dem er/sie sein/ihr Erleben verstehen und neu darauf reagieren kann. 

Der/die Therapeut:in dient also als ein Modell, mit dem die Patient:innen neue Lösungsstrategien in einem sicheren Kontext erproben und dadurch verinnerlichen können, bis sie selbst einen „gesunden Erwachsenen“ aufbauen und einsetzen können.

5.2 Therapeutische Techniken

In der Schematherapie, wie auch allgemein in der Verhaltenstherapie, werden verschiedene therapeutische Techniken (z.B. Rollenspiele, Hausaufgaben) miteinander kombiniert. Eine besondere Bedeutung kommt in der Schematherapie den emotionsaktivierenden Strategien zu, da die Emotionsaktivierung als fundamentaler Wirkfaktor angesehen wird. Zentral sind hierbei imaginative Verfahren, der sogenannte Stuhldialog und die Körperarbeit. Diese Ansätze wollen wir Ihnen im Folgenden etwas genauer erläutern. 

Imagination 

Ausgehend von einer stark belastenden emotionalen Aktivierung in der Gegenwart werden Imaginationsübungen dafür genutzt, Zugang zu der ursprünglich belastenden Situation in der Kindheit der Patient:innen zu erhalten. In der Situation von damals wurden ähnliche affektive Zustände erlebt, die den aktuellen schmerzhaften Kind-Modus prägen. Der Zugang zu biographischen Erlebnissen und Verletzungen wird dadurch erleichtert, dass durch die Imagination entsprechende neuronale Netzwerke aktiviert werden. 

In der Schematherapie werden verschiedene Arten von Imagination unterschieden: 

  • Diagnostische Imagination
    Bei der diagnostischen Imagination wird ausgehend von einem in einer aktuellen Situation aktivierten Gefühl der Rückbezug zu der damit verbundenen Kindheitssituation angeleitet. Gezielte Fragen ermöglichen es dem/der Patient:in die Kindheitssituation und die damit verbundenen Gefühle gezielt wiederzuerleben. 
  • Imaginatives Überschreiben
    Beim imaginativen Überschreiben wird das frustrierte emotionale Grundbedürfnis des Kindes identifiziert und gesund erwachsen befriedigt. Der/die Patient:in selbst, eine helfende Figur oder der/die Therapeut:in kommt als gesunde/r Erwachsene:r in das Bild, um die Situation so zu verändern, dass dysfunktionale fordernde oder strafende Bezugspersonen konfrontiert und entmachtet und die Grundbedürfnisse des Kindes validiert und befriedigt werden (gleichbedeutend mit Nachbeelterung). 
  • Ressourcenaktivierende Imagination
    Diese Form der Imagination zielt darauf ab, Facetten des Modus des gesunden Erwachsenen und des glücklichen Kindes zugänglich zu machen. Fast jede Person hat in ihrer Kindheit auch positive Erfahrungen mit Bezugspersonen gemacht, die in der aktuellen Situation nutzbar gemacht werden können. Ausgangspunkt ist auch hierbei eine aktuelle Situation, in der bei dem/der Patient:in jedoch positive Gefühle vorherrschen. Durch die Herstellung einer „Affektbrücke“ in die Kindheitssituation mittels der instruierten Imagination, werden gezielt die Bedingungen erkundet, die zu dem angenehmen Gefühl geführt haben. Daraus kann abgeleitet werden, was notwendig ist, um sich zufrieden, ausgeglichen, geborgen usw. zu fühlen. Diese Bedingungen werden abgespeichert, um sie im Hier und Jetzt bewusst abrufen zu können. 
Stuhldialog

Eine weitere Technik, die ursprünglich aus der Gestalttherapie stammt und in der Schematherapie eine große Bedeutung spielt, ist die Stuhlarbeit. Die Anwendungsmöglichkeiten sind hierbei sehr vielfältig. Allen Variationen gemeinsam ist, dass der/die Therapeut:in dem/der Patient:in unterschiedliche Stühle anbietet, zwischen denen gewechselt werden kann, um die unterschiedlichen Modi voneinander zu trennen und miteinander in Kontakt kommen zu lassen. Hierfür setzt der/die Patient:in seine verschiedenen inneren Anteile symbolisch auf die Stühle und führt einen Dialog zwischen ihnen. Indem der/die Patient:in sich auf einen der Stühle setzt, nimmt er/sie die Perspektive des zugeordneten Modus ein und spricht aus dessen Perspektive (Berbalk & Young, 2009). 

Diese Technik ermöglicht es, den inneren Dialog nach außen zu bringen und sich so bewusst von dem sonst automatisch agierenden inneren System zu distanzieren. Die strafenden Modi können hier verbal konfrontiert, zurechtgewiesen und des Platzes verwiesen werden, indem die Position ihres Stuhls im Raum verändert oder der Stuhl vor die Tür gesetzt wird. 

Im Folgenden können Sie sich einen Beispiel-Stuhldialog als Audio anhören: 

  

Je nachdem, was für Sie besser passt, können Sie sich den Therapiedialog auch durchlesen, indem Sie auf den folgenden Button klicken:

Quelle: angelehnt an Roediger & Zarbock, 2013, S. 203-204

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Körperarbeit

Die Körperarbeit sollte jede schematherapeutische Intervention begleiten. Durch wiederholtes gezieltes Nachfragen sollen die Patient:innen lernen, ihre Modi anhand ihrer somatischen Ausdrucksform achtsam zu erkennen, um diese im Alltag leichter wahrnehmen und eingreifen zu können. Auch der Modus des gesunden Erwachsenen sollte im Körper verankert werden, wodurch der Wechsel in diesen Modus erleichtert werden soll. 

Beispielsweise können die Patient:innen auch in Imaginationen oder im Stuhldialog zur Nutzung ihres Körperempfindens angeleitet werden. Hierbei könnte das Sich-Aufrichten oder ein tiefes Durchatmen den Wechsel in den Erwachsenenmodus einleiten. 





6 Empirische Befunde

Die Schematherapie wurde unter verschiedenen Blickwinkeln untersucht: 

  1. Konstruktvalidität: Untersuchungen zu den Basiskonzepten der Schematherapie, den Schemata, den Bewältigungsstilen und Modi
  2. Efficacy: Wirksamkeit der Schematherapie unter optimalen kontrollierten Bedingungen
  3. Effectiveness: Wirksamkeit der Schematherapie im Rahmen von Anwendungsuntersuchungen

1. Konstruktvalidität

Die Konstruktvalidität der Young'schen Schemata, Bewältigungsreaktionen und Modi ist insgesamt als zufriedenstellend bis gut zu bezeichnen (Rijkeboer, 2012). Auch im Rahmen von experimentellen Paradigmen ist es gelungen, die Aktivierung von spezifischen Schemata nachzuweisen (Übersicht bei Sieswerda, 2012). In einer holländischen Stichprobe mit 863 Teilnehmer:innen konnte in Bezug auf das Schema-Modus-Inventar gezeigt werden, dass sich die 14 postulierten Modi auch in dieser gemischten Stichprobe aus gesunden und Achse-I- wie Achse-II-Patient:innen psychometrisch zufriedenstellend nachweisen ließen (Lobbestael et al., 2010). 

2. Efficacy

Hinsichtlich der efficacy waren die Ergebnisse insgesamt vielversprechend, jedoch noch nicht ausreichend. In einer Vergleichsstudie zeigte sich die Schematherapie in allen Outcome-Variablen gegenüber der tiefenpsychologischen TFP (transference-focused psychotherapy) nach Kernberg überlegen. Besonders positiv fällt hier die wesentlich geringere Abbruchquote auf (Arntz, 2008, 2012). 

In einer randomisiert kontrollierten Studie zur Gruppen-Schematherapie mit 32 Borderline-Patient:innen konnte im Vergleich zu einer üblichen Behandlungsgruppe eine sehr gute Wirksamkeit nachgewiesen werden. Am Ende der Behandlung erfüllten 94% der Schematherapiegruppe verglichen zu 16% der Treatment-as-usual-Gruppe die Kriterien für eine Borderline-Diagnose nicht mehr (Farrell et al., 2009). 

Cockram et al. (2010) führte eine kontrollierte Studie mit 127 australischen Vietnamkriegsveteranen mit PTSD (engl. post-traumatic stress disorder; dt.: posttraumatische Belastungsstörung) durch. Dort konnte gezeigt werden, dass die Verwendung einer schemabasierten Behandlungsstrategie zu einer signifikant größeren Reduktion von Angst und posttraumatischen Belastungssymptomen führte als die Durchführung einer üblichen PTSD-spezifischen kognitiven Verhaltenstherapie. 

Im Bereich des Substanzmissbrauches zeigten sich allerdings gegenläufige Befunde (Ball et al., 2005, 2011). Die spezifischen Therapieangebote in beiden randomisiert kontrollierten Studien waren für die Behandlung des Substanzmissbrauches effektiver als die Schematherapie. 

3. Effectiveness

Auch Untersuchungen zur effectiveness wirken vielversprechend. So erfüllten bei Nadort et al. (2009) nach einer 18 Monate langen einzelschematherapeutischen Behandlung 42% der 700 Proband:innen die Kriterien für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht mehr. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bei Giesen-Bloo et al. (2006). 

In einer systematischen Übersicht von Bamelis et al. (2012) können sich eine Vielzahl empirischer Belege für die Wirksamkeit und Kosteneffizienz der Schematherapie finden lassen. Hierbei ist jedoch auch zu beachten, dass die Schematherapie meist nicht als eigenständige Methode, sondern als strukturiertes Konzept innerhalb des Verhaltenstherapie-Paradigmas eingesetzt wird.