4. Führung und Gruppen

4.2. Einflussfaktoren von Führung


Persönlichkeitsmerkmale

Trotzdem lohnt es sich zu betrachten, welche Faktoren auf individueller Ebene eine „große Führungspersönlichkeit“ wie z. B. John F. Kennedy oder Martin Luther King auszeichnen. In unserer Vorstellung verknüpfen wir mit solchen Namen wahrscheinlich Begriffe wie Charisma, Redegewandtheit, Kompetenz, Extrovertiertheit, sicheres Auftreten....

Die Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Führung dürften demnach eher etwas überraschen. Zwar wurden tatsächlich Korrelationen (= Zusammenhänge) zwischen Führungserfolg und Persönlichkeitsmerkmalen wie Charisma, Intelligenz oder Extrovertiertheit gefunden, diese waren aber gering. Und auch eine Person, die diese Eigenschaften prinzipiell besitzt, muss deshalb noch keine „gute“ Führungsperson sein. Die Vorstellung, dass es Persönlichkeitseigenschaften gibt, die eine Person von Geburt an dazu befähigen, Gruppen anzuführen, erweist sich also als falsch.


Die Situation

Denn eines darf bei der ganzen Sache nicht vernachlässigt werden: Die Situation, in der geführt wird. In gewisser Weise kommt hier auch wieder der Fundamentale Attributionsfehler zum Tragen: Wir schreiben den Führungserfolg oder –misserfolg eher der führenden Person zu, als der Situation.

Beispiel B.02.16: Wirtschaftliche Lage

Natürlich wird die Führung eines Unternehmens auch von der wirtschaftlichen Lage beeinflusst. Ist das Management erfolgreich, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens gut ist und die Auftragslage floriert, heißt das noch lange nicht, dass dies auch in wirtschaftlichen „Krisenzeiten“ der Fall sein wird. Häufig gehen wir aber genau von solchen Zusammenhängen aus.

Je nach Situation sind also bestimmte Eigenschaften und Vorgehensweisen gefragt, um erfolgreich zu führen.

Vielleicht ist Ihnen in Zusammenhang mit dem Thema Führung auch schon einmal der Begriff der Führungsstile begegnet. Darunter versteht man gewisse stabile Verhaltenstendenzen, seine Mitarbeiter zu führen. Die klassischen Führungsstile nach Lewin, Lippitt & White (1939) sind:

  • der autoritäre Führungsstil
  • der kooperative Führungsstil und
  • laissez-faire

Tabelle T.02.02: Führungsstile (Lewin et al., 1939, S. 273)

Authoritarian Democratic Laissez-faire
1. All determination of policy by the leader 1. All policies a matter of group
 discussion and decision, encouraged
 and assisted by the leader
1. Complete freedom for group or individual decision, without any leader participation.
2. Techniques and activity steps dictated by the authority, one at a time, so that future steps were always uncertain to lagre degree. 2. Activity perspective gained during first discussion period. General steps to group goal sketched, and where technical advice was needed the leader suggested two or three alternative procedures from which choice could be made. 2. Various materials supplied by the leader, who made it clear that he would supply information when asked. He took no other part in work discussions.
3. The leader usually dictated the particular work task and work companions of each member. 3. The members were free to work with whomever they chose, and the division of tasks was left up to the group. 3.Complete nonparticipation by leader
4. the dominator was "personal" in his praise and criticism of the work of each member, but remained aloof from active group participation except when demonstrating. He was friendly or impersonal rather than openly hostile. 4. The leader was "objective" or "fact minded" in his praise and criticism, and tried to be a regular group member in spirit without doing too much or the work. 4. Very infrequent comments on member activities unless questioned, and no attempt to participate or interfere with the course of events.

Die einzelnen Führungsstile sind z. T. schon durch ihre Namen mit Wertungen behaftet: z. B. der kooperative Führungsstil ist besser als der autoritäre Führungsstil. Das kann aber so pauschal nicht gesagt werden. Denn auch hier ist die Situation wieder zu berücksichtigen. So, wie es die „geborene Führungskraft“ nicht gibt, existiert auch nicht der „ideale Führungsstil“, der immer erfolgreich ist, sondern es kommt darauf an, je nach Situation auch sein Führungsverhalten anzupassen.

Beispiel B.02.17: Einsatzleitung bei einem Brand

Stellen Sie sich vor, Sie sind die Einsatzleitung der Feuerwehr bei einem Brand. Welchen Führungsstil würden Sie anwenden bzw. fänden Sie sinnvoll?

Wenn eine wichtige Entscheidung unter Zeitdruck getroffen werden muss (Löschen des Brandes), ist es unter Umständen sinnvoller, als Führungskraft (Einsatzleitung) eigenständig zu entscheiden und direktiv Aufgaben zu verteilen, als alle Mitarbeiter an der Entscheidungsfindung zu beteiligen und die Zuteilung der Aufgaben mit den Mitarbeitern abzusprechen.

Übung Ü.02.02: Führungsstile und Situationen

Überlegen Sie sich für jeden der 3 Führungsstile je ein Beispiel wo der entsprechende Führungsstil angebracht bzw. sinnvoll ist oder eines wo nicht. Diskutieren Sie das im Forum mit den anderen Teilnehmern. Hier kommt ihr direkt zum Forum.

Aus diesem Grund ist die Existenz von stabilen Führungsstilen auch in Frage gestellt worden, da es sich hier ja um stabile Verhaltenstendenzen handelt, die unabhängig von der Situation gezeigt werden.


Merkmale der Geführten

Erfolgreiche Führung hängt aber natürlich auch noch von einer dritten Komponente ab, den Merkmalen der Personen, die geführt werden. Denn um die Einstellungen und das Verhalten anderer tatsächlich zu beeinflussen, muss auch auf ihre Bedürfnisse eingegangen werden.

Beispiel B.02.18: Arbeitserfahrung

Ein Lehrling braucht mehr Anleitung und Hilfestellung bei einer Aufgabe als ein/e Mitarbeiter:in, der/die schon jahrelang im Unternehmen tätig ist. Ein/e erfahrene/r Mitarbeiter:in, der/die seit Jahren schon den Job macht, sich unter Umständen gekränkt oder zumindest gegängelt fühlt, wenn er/sie gesagt bekommt, wie der Job gemacht werden soll, vor allen, wenn es genauso ist, wie er/sie es eh machen würde.