Andrzej Wajda (1926–2016) hat mit seinem filmischen Oeuvre wie kaum ein anderer die nationale Vorstellungswelt, das geschichtliche und mythologische ‚Imaginarium‘ Polens geprägt – vor allem in Adaptionen zeitgenössischer und klassischer Werke der polnischen Literatur wie dem schwarzweißen Kultfilm Popiół i diament (Asche und Diamant, 1958) und opulenten Farbfilmen wie Wesele (Die Hochzeit, 1973) oder Ziemia obiecana (Das gelobte Land, 1975). Wajdas Filme sind immer auch Zeugnisse der Filmkunst ihrer Zeit. So legte er mit Człowiek z marmuru (Der Mann aus Marmor, 1977) und Człowiek z żelaza (Der Mann aus Eisen, 1981) nicht nur eine Art Chronik Nachkriegspolens vom Stalinismus bis zur Entstehung der Solidarność vor, er setzte hier auch eine dokumentarische Reportageästhetik ein, in der sich kunstvoll Hoch- und Populärkultur verschränken. Wajdas Werk darf nicht auf Visionen der polnischen Geschichte reduziert werden: Filme wie Danton (1983) nach einem polnischen Theaterstück und Les possédés (Die Besessenen, 1988) nach Fëdor Dostoevskijs Dämonen zeigen Wajda als Regisseur, der sich den Themen von Revolution und (Staats-)Terrorismus mit einer ostmitteleuropäischen Sensibilität nähert, aber das Partikular-Nationale immer auch überschreitet. In diesem Seminar wollen wir rund zehn Filme Wajdas formal analysieren und in ihren geschichtlich-politisch-medialen Bezügen und Kontexten beleuchten, wobei Katyń (2007) und Powidoki (Afterimage, 2016) den Abschluss bilden werden. Mit diesen Filmen kehrte Wajda in seinem Spätwerk zur Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und zum Stalinismus zurück. Die Filme werden intern zur Verfügung gestellt und jeweils zur Sitzung individuell zu Hause visioniert.
- Moderator/in: Eugeniya Ershova
- Moderator/in: Christian Zehnder