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Vor gut 30 Jahren fand eine der ersten großen und bedeutenden Kunstausstellungen zur osteuropäischen Avantgarde statt. Die Ausstellung, die u.a. in der Schirn-Kunsthalle in Frankfurt/M. stattfand, trug den Titel Die große Utopie. Die russische Avantgarde 1915-1932 und es wurden annähernd 700 bildkünstlerische und skulpturale Werke gezeigt, u.a. von so bedeutenden Künstler:innen wie Oleksandr Archipenko, Oleksandra Ekster oder Kazimir Malevič. Tatsächlich handelt es sich bei diesen Künstler:innen jedoch nicht um russische, sondern um gebürtige und auch ihrem eigenen Verständnis nach um ukrainische Künstler:innen. Die Ausstellung Die große Utopie folgt – so könnte man meinen – einer (sowjet)russischen Kunstgeschichtsschreibung, die bis heute weitverbreitet ist. Es stellen sich daher verschiedene Fragen: Was bedeutet die ‚Vereinnahmung‘ der ukrainischen Kunst durch die (sowjet-)russische Kunstgeschichtsschreibung und wie ist sie zu verstehen und zu bewerten? Welche spezifischen künstlerischen Ausdrucksformen gibt es in der ukrainischen Moderne und worin besteht ihre Originalität? In welcher besonderen Beziehung steht die ukrainische Moderne zur ost- wie zur westeuropäischen Moderne bzw. Avantgarde? Und schließlich: Muss man die Geschichte der modernen russischen und ukrainischen Kunst neu schreiben?

Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Seminars, in dem jedoch keine kunsthistorischen oder sprachlichen Kenntnisse von den Teilnehmer:innen vorausgesetzt werden (sie sind aber hilfreich!). In den ersten Seminarsitzungen sollen die historischen (z.B. die Geschichte der Ukraine im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts) und die theoretischen Grundlagen (z.B. die Begriffe der Modernität und Avantgarde) erarbeitet werden, um daran anschließend die spezifischen künstlerischen Ausdrucksformen der ukrainischen Moderne und Avantgarde zu behandeln, z.B. die verschiedenen Formen des ukrainischen Futurismus (Kubofuturismus, Querofuturismus, Panfuturismus), der proletarischen Kunst, des so genannten Bojčukismus oder des Konstruktivismus. Wir werden uns dabei auf die topographischen Zentren der ukrainischen Moderne (Kyiv, Charkiv und Odesa) konzentrieren und anhand ausgewählter Manifeste, Aufzeichnungen und Werke, z.B. von David Burljuk, Benedikt Livšic oder Oleksandr Bogomazov, die unterschiedlichen künstlerischen Standpunkte diskutieren. Eine besondere Bedeutung nimmt dabei Kazimir Malevič ein, der mit seinem Bild Schwarzes Quadrat auf weißem Grund bzw. seinem so genannten Suprematismus für die abstrakte bzw. ungegenständliche Kunst des 20. Jahrhunderts wegweisend war. Wir werden Malevičs bildkünstlerisches Werk ausführlich betrachten, z.B. seinen Bezug zur ukrainischen Volkskunst oder auch seine so genannte Kyiver Periode. Aber nicht nur Werke der Bildenden Kunst (Malerei, Graphik, Skulptur), sondern auch Werke der Literatur, z.B. von Michailʼ Semenko oder Geo Škurupij, dem Theater bzw. der Bühnenausstattung, z.B. von Oleksandra Ekster oder Vadim Meller, oder dem Film, z.B. von Dziga Vertov, sollen im Seminar behandelt werden.

Ein Seminarplan mit den genauen Themen und weiteren Literaturempfehlungen wird in der ersten Sitzung ausgegeben.
Semester: 2024 Sommersemester
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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