Lalka (Die Puppe, 1890) von Bolesław Prus (1847–1912; eigentl. Aleksander Głowacki) gilt als größter polnischer Roman des 19. Jahrhunderts. Seit einiger Zeit wächst auch international seine Bekanntheit, nachdem Fredric Jameson und Franco Moretti ihn prominent als Meisterwerk des Realismus beschrieben haben. Im Oktober 2023, pünktlich zum Semesterbeginn, erscheint auf Deutsch eine Neuübersetzung mit einem Vorwort von Olga Tokarczuk (s. Literaturhinweise - Publikation verschoben auf Mai 2024).
Lalka ist die Geschichte des Unternehmers Stanisław Wokulski, der in Warschau einen Galanteriewarenladen betreibt. Besessen von der jungen Adligen Izabela Łęcka, stellt Wokulski seinen kaltblütigen Geschäftssinn ganz in den Dienst der Liebe. Izabela wird zur Projektionsfläche – zu der titelgebenden „Puppe“ (wobei sich der Sinn des Titels nicht auf diese Dimension beschränkt). Wokulski ist eine zutiefst „komplexe“, „enigmatische“ Figur (Jameson), er changiert zwischen zynischem Sozialdarwinismus und Anwandlungen von Mitleid angesichts des Elends in der Großstadt und bleibt dabei ständig bedroht von einer alles verschlingenden „Leere“ (pustka).
In Lalka ist allerdings noch eine weitere dunkle Kraft am Werk: die verdrängte Erinnerung an den gescheiterten Januaraufstand von 1863/64, an dem Wokulski – wie Prus – einst teilnahm, weshalb er für mehrere Jahre nach Sibirien verbannt wurde. So ist diese Geschichte von Liebesillusionen in einer sich rasant wandelnden Metropole zugleich ein hochpolitischer Text über die Folgen der imperialen Teilungen Polens.
In diesem Seminar wollen wir folgende Themenbereiche diskutieren: Was ist Realismus, hier in der besonderen Spielform des polnischen Positivismus; Lalka als Text, der einerseits kritisch auf das romantische 19. Jahrhundert Bezug nimmt (auch auf den größten Romantiker, Adam Mickiewicz) und andererseits in seiner ungeschönten Darstellung von Desintegration und Sinnverlust auf die Literatur des 20. Jahrhunderts vorausweist; Lalka als Text, der in seiner Verschränkung von Liebesobsessionen, Kapitalismus, sozialer Konkurrenz sowie Andeutungen zu Polens Unabhängigkeitskampf einen facettenreichen Einstieg in die polnische Kultur jenseits von Klischees ermöglicht.
Lalka ist die Geschichte des Unternehmers Stanisław Wokulski, der in Warschau einen Galanteriewarenladen betreibt. Besessen von der jungen Adligen Izabela Łęcka, stellt Wokulski seinen kaltblütigen Geschäftssinn ganz in den Dienst der Liebe. Izabela wird zur Projektionsfläche – zu der titelgebenden „Puppe“ (wobei sich der Sinn des Titels nicht auf diese Dimension beschränkt). Wokulski ist eine zutiefst „komplexe“, „enigmatische“ Figur (Jameson), er changiert zwischen zynischem Sozialdarwinismus und Anwandlungen von Mitleid angesichts des Elends in der Großstadt und bleibt dabei ständig bedroht von einer alles verschlingenden „Leere“ (pustka).
In Lalka ist allerdings noch eine weitere dunkle Kraft am Werk: die verdrängte Erinnerung an den gescheiterten Januaraufstand von 1863/64, an dem Wokulski – wie Prus – einst teilnahm, weshalb er für mehrere Jahre nach Sibirien verbannt wurde. So ist diese Geschichte von Liebesillusionen in einer sich rasant wandelnden Metropole zugleich ein hochpolitischer Text über die Folgen der imperialen Teilungen Polens.
In diesem Seminar wollen wir folgende Themenbereiche diskutieren: Was ist Realismus, hier in der besonderen Spielform des polnischen Positivismus; Lalka als Text, der einerseits kritisch auf das romantische 19. Jahrhundert Bezug nimmt (auch auf den größten Romantiker, Adam Mickiewicz) und andererseits in seiner ungeschönten Darstellung von Desintegration und Sinnverlust auf die Literatur des 20. Jahrhunderts vorausweist; Lalka als Text, der in seiner Verschränkung von Liebesobsessionen, Kapitalismus, sozialer Konkurrenz sowie Andeutungen zu Polens Unabhängigkeitskampf einen facettenreichen Einstieg in die polnische Kultur jenseits von Klischees ermöglicht.
- Moderator/in: Eugeniya Ershova
- Moderator/in: Lena Albina Ramer
- Moderator/in: Christian Zehnder
Semester: 2023/24 Wintersemester