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Architektur dient der Poesie seit jeher als programmatische Metapher. Die Bildlichkeit des Entwerfens und des Bauens prägen das poetologische Sprechen der Literatur ‚über sich selbst‘. Dabei geht es ihr wesentlich darum, Modelle des Plastischen zu erzeugen, raumgreifend zu werden in der Vorstellung: Was die Dichtkunst „errichtet“, soll der Zeit enthoben und realen Bauwerken qua Immaterialität überlegen sein. Zugleich kann sich Poesie durch den Bezug auf existierende Bauten konkret in der Geschichte situieren und gleichsam die Zeitlichkeit der Baumaterialien in sich aufnehmen. Der polnische Dichter Zbigniew Herbert apostrophiert die Architektur in diesem Sinne als „Kunst aus Fantasie und Stein“ („sztuko z fantazji i kamienia“; „Architektura“, 1952). Diese Spannung zwischen immaterieller Imagination und dem Maßnehmen am Konkreten und (Kunst-)Geschichtlichen bildet den Ausgangspunkt der Vorlesung.

In der Slavistik ist das Forschungsfeld ‚Literatur und Architektur‘ anders als in anderen Philologien (s. Literaturhinweise) systematisch wenig zur Geltung gekommen. Die Vorlesung unternimmt daher eine Auslegeordnung vielfältiger Aktualisierungen architektonischer Motivik und Metaphorik in slavischen Literaturen: (neo-)klassische Tempel-, Skulpturen- und Ruinentopiken; Topographien von Stadttexten; moderne Architektur und Ingenieurstechnik als Fortschritts- und Revolutionsparadigma; das konstruktivistische Paradigma der Avantgarden; Sophienkathedralen und die göttliche Weisheit als „Baumeisterin der Schöpfung“ in moderner Literatur; alternative Modelle organisch-wachsender Architekturen seit der Moderne.

Der letzte dieser Themenkomplexe – die Organik – liefert einen wertvollen Hinweis darauf, dass auch der „ökologische Imperativ“ (Hans Jonas) eine architektonische Implikation hat: die Vorstellung von der Instandhaltung und Pflege des ‚Hauses‘ (oikos). Neuere kulturphilosophische Arbeiten haben denn auch im Anschluss an Martin Heideggers „Bauen Wohnen Denken“ (1951) versucht, die Architektur und die globalisierte Städteplanung an die Anliegen des „Wohnens“ zurückzuverweisen. So wird abschließend zu fragen sein, wie slavische Literaturen das Verhältnis zwischen „Bauen“ und „Wohnen“ heute konzipieren.
Semester: 2023/24 Wintersemester
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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