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Inhalt der Lehrveranstaltung

Aus dem Januar 1712 ist eine handgezeichnete Karte mit dem Titel „PostirungsLinie gegen Strahlsund“ überliefert, auf der von West nach Ost die Flüsse Trebel und Ryck zwischen den Städten Tribsees und Greifswald dargestellt sind. Diese Karte gehört zu einem Atlas, den Johann Georg Maximilian Fürstenhoff (1686–1753), der Halbbruder Augusts des Starken (1670–1733, als Friedrich August I. Kurfürst von Sachsen und in Personalunion als August II. König von Polen und Großherzog von Litauen) unter dem Titel „Campements und andere Kriegsoperationes, welche durch die Königlich Polnischen und Kurfürstlich Sächsischen Truppen benebenst denen andern hohen nordischen Alliierten die Jahre 1711, 1713 und 1715 in Schwedisch Pommern gegen die Schweden unternommen“ für den Reichsgrafen Brühl erstellt hatte und der vor wenigen Jahren von Dr. Dirk Schleinert im Stadtarchiv Stralsund wiederentdeckt worden ist. Bei diesem Atlas handelt es sich um eine einzigartige Quelle für die Geschichte des Nordischen Krieges. In der Karte von 1712 sind die Stellungen der sächsisch-polnischen und der russischen Armee zwischen Grimmen und Greifswald sowie der dänischen Armee zwischen Grimmen und Tribsees zu sehen, mit der nach Norden hin in jenem Winter für mehrere Monate die schwedischen Truppen eingeschlossen worden waren, die sich vor allem in Stralsund und auf der Insel Rügen auf den Angriff der alliierten Armeen vorbereiteten. Dank dieser Karte konnten seitens des LAKD in den vergangenen Jahren im Quellgebiet der Flüsse Ryck und Trebel im und beim heute als „Heidenholz“ bezeichneten Waldgebiet östlich von Grimmen mehrere Schanzen identifiziert und das gesamte Areal archäologisch sondiert werden. Die dabei zutage getretenen Funde geben Aufschluss über eine der am besten bewahrten frühneuzeitlichen Befestigungslinien in Europa, die in linearer Form außerhalb einer engeren Stadtbelagerung erhalten geblieben ist. Das gesamte Areal war vor 300 Jahren von Mooren und Sümpfen geprägt und vermutlich sehr schwer passierbar. Die heutige Bewaldung dürfte weitestgehend ein Ergebnis der Aufforstung nach dem Übergang Schwedisch-Pommerns an Preußen im Jahre 1815 sein.

Ausgehend von dem besonderen Befund, der über die Karte von 1712 möglich ist, soll die Entwicklung der reichhaltigen Kulturlandschaft in diesem Teil Vorpommern im Rahmen eines Geländepraktikums für Studierende der Historischen Geographie, der Landschaftsökologie und der Geographie der Universitäten  Bamberg und Greifswald in der Woche nach Ostern 2022 rekonstruiert werden. In diesem Feldkurs sollen die klassischen Methoden der genetischen Siedlungsforschung mit aktuellen Forschungsansätzen, z.B.aus der Landschaftsmodellierung, der Moorkunde, der Fernerkundung, der Historischen Kartographie, der Archäologie und der Geschichte der Frühen Neuzeit (vor allem der Militärtaktik und der sozialen Situation stehender Heere) kombiniert werden. Im geländepraktischen Teil werden u.a. Wüstungen sowie die Reste der sogenannten Postierungslinie kartiert,  Fragen der Bodendenkmalpflege diskutiert und Ideen für die touristische Inwertsetzung historischer Kulturlandschaften für eine breite Öffentlichkeit entwickelt.

Das zeitliche Spektrum der kulturlandschaftlichen Prägungen, die im Rahmen dieser Lehrveranstaltungbetrachtet werden sollen, umfasst die gesamte Siedlungsgeschichte des Untersuchungsgebietes:

  • die Ränder ur- und frühgeschichtliche Siedlungskammern mit ihren archäologischen Zeugnissen,
  • der hoch- und spätmittelalterliche Landesausbau, der in Vorpommern eng mit der sogenannten deutschen Ostsiedlung verbunden ist,
  • die Entstehung der Gutswirtschaft in der Frühen Neuzeit und die bis heute präsentenSiedlungsstrukturen und Baudenkmale aus ihrer Hochphase im 19. Jahrhundert,
  • die Folgen von Bodenreform und sozialistischer Kollektivierung im 20. Jahrhundert, insbesondere die ökologischen Folgen der Melioration für Feuchtgebiete wie dem hier betrachteten Quellgebiet der Flüsse Trebel und Ryck im Bereich des Heidenholzes.

Im Rahmen des Feldkurses werden Kollegen aus den Universitäten Greifswald und Rostock, der Hochschule Neubrandenburg, der Landesarchäologie im LAKD, der Landesforst M-V sowie eine Kollegin aus dem Hauptstaatsarchiv Dresden Vorträge aus dem gesamten Spektrum einer interdisziplinären Kulturlandschaftsanalyse anbieten und für Diskussionen zur Verfügung stehen. Auch ehrenamtliche Bodendenkmalpflegerinnen und -pfleger werden sich mit ihrer lokalen Expertise an der Geländearbeit beteiligen und als Gasthörer zu den Vorträgen erwartet. Gemeinsam mit Jens Ulrich, Grabungstechniker am LAKD, und unter Mithilfe der ehrenamtlichen Bodendenkmalpflege werden die Studierenden während des Feldkurses die Möglichkeit, Profilschnitte an ausgewählten Bereichen einer Schanze aus dem Nordischen Krieg anzulegen. Diese sollen der Bestandserfassung und der Dokumentation der Anlage im Detail dienen.


Semester: 2022 Sommersemester
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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