3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters

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Kurs: Rivalisierende Männlichkeiten
Buch: 3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters
Gedruckt von: Gast
Datum: Samstag, 27. April 2024, 09:36

Beschreibung

Hier werden etliche Beispiele aus dem Rolandslied des Pfaffen Konrad erwähnt, die auffallenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Figuren von Roland und dem Heiligen Sebastian zeigen, und dementsprechend zwischen ihren Facetten als Krieger und Märtyrer.

1. Der Vasallitätsgedanke und das vollkommene Gottesvertrauen

Das gegenseitige Verhältnis zwischen dem Herrn und seinen Vasallen entspricht dem zwischen Gott und den Menschen:

 

dâ si gote scolten dienen,                                 Gott zu dienen,

dâ ne gesunderôte si niemen.                            da konnte sie keiner trennen.

(V. 3249-3250)

 

Roland ist ein treuer Vasalle im Dienst seines Herrn Karl und letztlich Gottes, genauso wie der Heilige Sebastian: 

 

wolt got, daz ich des wert wære,                       Wollte Gott, daß ich dessen würdig wäre,

daz ich verdienete den namen,                          daß ich den Namen verdiente,

dar wolt ich gerne gâhen.                                  mit Freuden eilte ich dorthin.

(V. 3882-3884)

 

Die triuwe regelt diese Bindung: Sowohl Roland als auch der Heilige Sebastian vertrauen auf Gott, der ihnen die notwendige Kraft und Hilfe gibt, ihre Dienstpflichten zu erfüllen und für den christlichen Glauben zu kämpfen: 

 

fürchtet nehain ir grôzen mage,                          fürchtet ihre groß Stärke nicht,

got gibet uns urmære craft.                               so verleiht uns Gott doch die allergrößte Kraft.

(V. 5812-5814) 

 

Obwohl beide Figuren von Gott bestärkt werden und schließlich ihre Pflichten tun, triumphieren sie nicht in der gleichen Weise: Roland siegt mittels kämpferischer und geistlicher Handlungen, während der Heilige Sebastian keine Gewalt benutzt und nur durch geistliche Handlungen siegt. Auf jeden Fall wird den Sieg erringen, wer an Gott glaubt und auf ihn vertraut. Deshalb haben die Heiden, wie Roland prophezeit, keine Möglichkeit zu siegen: 

 

für wâr ich dir sage,                                           Ich versichere dir,

di haiden sint vor gote vertailet.                           vor Gott sind die Heiden verurteilt.

(V. 3878-3879)

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Der Pfaffe Konrad: Rolandslied. Halle 1955.

Victorio, Juan: Cantar de Roldán. Madrid 1989.

2. Ritterdienst zum Gottesdienst: Das Sammeln der Krieger

Roland spricht seine Ritter direkt an, indem er sie im Namen Karls für die Schlacht zusammenruft: 

 

Ruolant sprach:                                                   Roland sagte:

wol ir süezen Karlinge,                                         wohlan, fromme Franzosen,

ich bit iuch in der wâren gotes minne,                    ich bitte euch im Namen der Liebe des wahren Gottes,

(V. 5807-5808)

 

Dies kann man als eine Analogie zu dem Ruf Christi an seine Apostel verstehen:

 

di aller küenesten wîgande,                                  Die tapfersten Recken,

di ûf der erde                                                       die auf Erden

ie geboren dorften werde,                                      je geboren wurden,

di kêrten unter Ruolantes van.                               sammelten sich unter Rolands Fahne.

(V. 3242-3245) 

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Der Pfaffe Konrad: Rolandslied. Halle 1955.

Victorio, Juan: Cantar de Roldán. Madrid 1989.

3. Der Märtyrergedanke und die Dankbarkeit gegenüber Gott

Roland und der Heilige Sebastian sind der Auffassung, dass das Sterben für Gott und die Christenheit eine immense Bedeutung und Ehre hat. Beide haben die Möglichkeit, ihr Leben freiwillig wieder Gott zu geben, was ein Geschenk Gottes an die Menschen als Zeichen seiner Barrmherzigkeit und Hilfe ist:

 

swem got die gnâde gibet,                                  Wem Gott die Gnade schenkt,

daz er durch sînen schephære hie geliget –          für seinen Scöpfer hier zu sterben – 

(V. 5819-5820)

 

Nicht nur im Rolandslied findet man Christen, die sich Gott dankbar zeigen und zum Märtyrertod und zur Nachfolge Christi bereit sind:

 

daz ist der Heilige Crist,                                     das nämlich ist Christus,

der durch unsich gemarteret ist –,                       der um unsertwillen gemartert wurde –,

(V. 5821-5822)

 

Der Legenda aurea nach ist dies auch der Fall bei den Gebrüdern Marcus und Marcellinus.

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Der Pfaffe Konrad: Rolandslied. Halle 1955.

Victorio, Juan: Cantar de Roldán. Madrid 1989.

4. Himmlischer Lohn nach dem Martyrium und Sterben

Nach dem Leid zu Lebzeiten kommt die Belohnung im Himmel:

 

daz er in sînem dieneste beliget,                                    in seinem Dienst zu sterben;

want er im daz himelrîche ze lône gibet.                         denn er lohnt ihm mit dem Himmelreich.

(V. 3887-3888)

 

Laut Roland, genauso wie dem Heiligen Sebastian, lohnt es sich, für den Herrn und die Gottheit zu leiden

 

ze künclîchen êren,                                                       zu königlichen Ehren gekommen,

der sihet sînen hêrren,                                                   wer seinen Herr

in sîner gothaite.                                                           In seiner Gottheit schaut.

dar müget ir gerne arbaite.                                             Dafür lohnt es sich, daß ihr leidet.

(V. 5825-5828)

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Der Pfaffe Konrad: Rolandslied. Halle 1955.

Victorio, Juan: Cantar de Roldán. Madrid 1989.

5. Das Irdische bedeutet dem Ritter nichts, wenn es um den Auftrag Gottes geht

Nicht der Leib oder die weltlichen Dinge sind das Wichtigste:

 

si fuorten vaile den lîp.                                       Ihr Leben setzen sie ein.

(V. 3250)

 

Von wesentlicher Bedeutung sind die unsterbliche Seele:

 

der stâl schirmete dem vlaische,                        Der Stahl schützte das Fleisch,

diu Heilige minne dem gaiste.                            die Gottesliebe aber den Geist.

(V. 4863-4864)

 

und die wahre Liebe Gottes zu den Menschen und umgekehrt: 

 

ouch ne gerten si nehainer gewinne                    begehrten keinen anderen Lohn

niuwan di wâren gotes minne.                            alles allein die Liebe des wahren Gottes.

(V. 3257-3258)

 

Sowohl Roland als auch der Heilige Sebastian zeigen, dass für beide ihre Verpflichtung gegenüber Gott und die Rettung der Seele wichtiger als das Äußere war.

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Der Pfaffe Konrad: Rolandslied. Halle 1955.

Victorio, Juan: Cantar de Roldán. Madrid 1989.

6. Ôwi, geselle Ruolant, wan blâsestu noch dîn horn? (V.3863-3865)

Als Roland das Ende prophezeit:

 

si habent den tôt an der hant.                           Ihr Tod steht unmittelbar bevor.              

(V. 3863)

 

weiß er schon, dass alles von Gott abhängt. Daher verweigert er das Hornsignal:

 

ich swüere dir ain offen ait,                               wollte ich dir öffentlich schwören,

daz ich ez niene blâsen wil.                             daß ich es auf keinen Fall blasen werde.

(V. 3874-3875)

 

weil er lieber sein Schicksal und den Wille Gottes akzeptieren will: 

 

daz müez nu allez an gote gestân,                   Das soll alles bei Gott stehen,

(V.3870)

 

Wie Roland, der das Horn nicht bläst, will der Heilige Sebastian gegen seine Folterer nicht aufbegehren und lieber den Tod auf sich nehmen. Eher zu allem bereit sein, als dem Glauben am Christus abzusagen. 

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Der Pfaffe Konrad: Rolandslied. Halle 1955.

Victorio, Juan: Cantar de Roldán. Madrid 1989.

7. Die Übergabe des Handschuhs

Vor dem Sterben Rolands empfängt ein Engel seinen Handschuh:

 

ich scol verwandelen daz leben.                                    Ich werde sterben.

in sîne gnâde wil ich mich ergeben,                               In seine gnädige Hand will ich alles zurücklegen,

swaz ich sîn von im hân,                                              was ich von ihm habe,

want ich sîn niemen sô wol gan.                                   Weil ich keinem sons gönne.

(V. 6885-6888)

 

Dies hat eine symbolische Bedeutung, und zwar, dass Roland Gottes Auftrag erfüllt hat und Gott seine Taten anerkennt.

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Der Pfaffe Konrad: Rolandslied. Halle 1955.

Victorio, Juan: Cantar de Roldán. Madrid 1989.

8. Anerkennung

Roland und der Heilige Sebastian werden mit den Bezeichungen Märtyrer, heilig und sogar Held ausgezeichnet: 

 

des ist der helt Ruolant                                    Dafür wird nun der Held Roland

von aller der christenhait gêret,                          von allen Christen verehrt,

alsô uns daz buoh lêret.                                   wie uns das Buch lehrt.

(V. 6892-6895)

 

Roland war der Inbegriff eines Miles Christianus. Obwohl die Legenda aurea den Heiligen Sebastian auch als einen Militärangehörigen schildert, verkörpert er dieses Ideal in dem analysierten Gemälde nicht.

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Der Pfaffe Konrad: Rolandslied. Halle 1955.

Victorio, Juan: Cantar de Roldán. Madrid 1989.