Als im Herbst 2009 vom ESF-Projekt LMS4KMU die Anfrage kam, ob eine Integration lokaler Software-Firmen in eine Lehrveranstaltung möglich wäre, bot es sich an, einen Bezug zu meiner Veranstaltung "Mensch-Computer-Interaktion" herzustellen. In dieser Veranstaltung wird im Übungsteil mit 2 SWS jeweils eine empirische Studie konzipiert, durchgeführt, ausgewertet und die Ergebnisse schriftlich und mündlich präsentiert. Ich war gespannt, ob lokal ansässige Firmen das Thema Usability interessiert und ob Interesse bestehen würde, die eigene Software bezüglich ausgewählter Usability-Kriterien empirisch evaluieren zu lassen. Zudem schien es mir für die Studenten interessant, die in der Vorlesung theoretisch vermittelten Kriterien für Usability, Methoden des Usability-Engineering sowie analytische und empirische Methoden der Usability-Evaluation an konkreten Praxisbeispielen illustriert zu bekommen.
Erfreulicherweise meldeten gleich zwei Firmen Interesse an: GSD-Software und Docufy. Mit Vertretern beider Firmen habe ich ein sehr produktives Vorgespräch geführt. Beide Firmen waren gern bereit, ihre Softwareprodukte im Rahmen der Veranstaltung in einem Vortrag zu präsentieren. Ebenso waren beide Firmen sehr offen, was mögliche Schwachpunkte bei der Nutzerführung ihrer Systeme betraf. Natürlich musste ich deutlich machen, dass es nicht möglich ist, im Rahmen einer Lehrveranstaltung mit beschränktem Zeitbudget und kleinen Gruppen von Studenten eine professionelle Studie zu erwarten und dass ich nicht einmal garantieren kann, ob die Studie erfolgreich durchgeführt und abgeschlossen werden kann. Zudem waren beide Firmen verständlicherweise vorsichtig was den Kontakt zu ihren Kunden anbelangt. Entsprechend konnten wir weder auf logfiles von tatsächlichen Nutzern des Systems zurückgreifen noch Befragungen von Nutzern durchführen.
Entsprechend haben wir uns entschieden, beide Systeme bezüglich Konsistenz und Effizienz zunächst mit analytischen Methoden (cognitive walk-through) zu untersuchen. Daraus sollten Hypothesen über einzelne Schwachstellen abgeleitet werden, die dann an einer sehr kleinen Gruppe von Systemnovizen überprüft werden sollten. Aufgrund der Teilnehme eines Studenten der Psychologie, der im Nebenfach Informatik Kognitiver Systeme studiert, war es uns möglich, einen Eyetracker zu nutzen.
Erfreulicherweise waren die Studenten, die an der Lehrveranstaltung teilnahmen, sehr motiviert und einige von ihnen haben durch ein zeitliches Engagement weit über den üblichen Umfang einer Übung hinaus dazu beigetragen, dass die durchgeführten Studien so gut durchgeführt werden konnten und dass die erzielten Ergebnisse tatsächlich interessant für die Firmen waren. Entsprechend zeigten sich die Vertreter beider Firmen sehr beeindruckt.
Als Mitglied der Fakultät für Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik der Universität Bamberg bin ich hocherfreut, dass sich lokal ansässige Firmen über diese Kooperation einen Eindruck von der Qualität unserer Studenten machen konnten. Zudem wurde meiner Meinung nach deutlich, dass unser Profil der Angewandten Informatik in der Ausbildung dazu führt, dass die Studenten neben Kernkompetenzen in der Informatik deutlich mehr interdisziplinäre Kompetenzen erwerben als in einem reinen Informatikstudium.
Auch aufgrund der Ergebnisse der Evaluation der Lehrveranstaltung ist sicher positiv hervorzuheben, dass die Studenten sich mit tatsächlichen Problemen der Usability aus Sicht der Praxis auseinandersetzen konnten. Allerdings wurde von den Studenten zum Teil der hohe Zeitaufwand kritisiert. Zudem wurde kritisiert, dass der Vorlesungsstoff und die Übung nur wenig Bezug zueinander hatten. Den zweiten Kritikpunkt sehe ich weniger kritisch, da die Durchführung der Usability-Studien meiner Meinung nach mehrere Themen der Vorlesung, insbesondere den Bereich "Methoden der Usability-Evaluation" sehr gut durch praktische Erfahrung vertieft hat. Dies hätte ich vielleicht an mehreren Stellen im Rahmen der Veranstaltung verdeutlichen können.
Mein Fazit ist, dass die Kooperation insgesamt sehr erfreulich war. Bei der Firma Docufy scheint zudem durchaus Interesse zu bestehen, die Kooperation fortzusetzen. Inzwischen ist das Vertrauen so groß, dass die Firma Interesse hätte, dass Befragungen mit tatsächlichen Nutzern durchgeführt werden. Ich werde versuchen, auch zukünftig, entsprechende Kooperationen in meine Lehrveranstaltungen zu integrieren.