Jiddisch wird heute nur noch vereinzelt vor allem in orthodoxen Gemeinden in New York und Israel gesprochen, war aber bis vor der Shoah eine bedeutende Sprache aschkenasischer Juden – der religiösen wie der säkularen. Es bietet damit einen Zugang zur reichen Kulturgeschichte der jüdischen Diaspora in Ost- und Mitteleuropa und in Nordamerika mit ihren literarischen und historischen Schätzen.
Im Seminar werden wir grundlegende Kenntnisse in Jiddisch erwerben und dabei gleichzeitig verschiedene historische Quellen in ihren kulturellen Kontexten untersuchen. Neben Grammatik, Lesen, Schreiben und eher passivem Verstehen steht also auch Kulturgeschichte im Mittelpunkt des Seminars. Mit einer Vielzahl von Materialien wie Liedern, Gedichten, Karikaturen, Plakaten und Auszügen aus jüdischer Literatur und Publizistik wollen wir uns Jiddisch als Quellensprache aneignen.
Unser Schwerpunkt liegt auf dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bis zur Nachkriegszeit (ca. 1875-1952). Die Seminarinhalte können flexibel angepasst werden – hier eine Vorauswahl an möglichen Themen:
- (Volks)lieder, Literatur und die jüdische Presse in Osteuropa des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts
- Der Streit zwischen Jiddischisten und Zionisten: Jiddisch oder Hebräisch als „Nationalsprache des jüdischen Volkes“?
- Lieder, Karikaturen, Plakate und Banner der Arbeiter- und sozialistischen Bewegung, vor allem in der säkularen jüdischen Arbeiterpartei „Bund“ in Litauen, Polen und Russland
- Berichte, Zeitungsartikel, Lieder und Gedichte in Auseinandersetzung mit den Schrecken der Shoah und mit dem Widerstand gegen Faschisten
- Nachkriegspublizistik in Deutschland, insbesondere die Wochenschrift „Undzer Wort“ aus Bamberg von 1946/47 (eventuell mit kleiner Stadtführung)
- Werke jiddischer Dichter und Intellektueller unter stalinistischer Verfolgung bis 1952
- Lieder und Theaterstücke der jüdischen Einwanderer in New York
- Modernes Jiddisch: Heutige Künstler:innen, Zeitungen, Sprachkurse, Kulturfestivals, Zugang zu jiddischen Quellen (YIVO, Yiddish Book Center etc.), KI-Handschrifterkennung für jiddische Manuskripte
Voraussetzungen: Keine. Das Seminar richtet sich an alle Interessierten. Wer mag, kann gerne schon mal die jiddischen Buchstaben üben (Lesen und in Handschrift schreiben).
- Moderator/in: Reinhild Beer
- Moderator/in: Annette Strobler