Psychologie des Selbstvertrauens

Für „Selbstvertrauen“ gibt es in der deutschen Sprache ziemlich viele Syno-nyme. Zum Beispiel „Selbstbewusstsein“, „Selbstwertgefühl“, „Ichstärke“, „Stolz“, "Ehre". Im Kern ist gemeint das Vertrauen in die eigene Stärke, das Ver-trauen in die eigene Fähigkeit, mit den Problemen, die sich so stellen, fertig zu werden. Auf alle Fälle ist „Selbstvertrauen“ sehr wichtig; ein hohes Selbstver-trauen bedeutet, dass man den Mut hat, Probleme anzugehen.
Menschen sind „politische Wesen“, haben das Bestreben, etwas für ihre Grup-pe, für die Familie, für die Freunde, zu tun. Wenn sich nun das starke Bestre-ben, etwas für die „Gruppe“ zu tun, vereinigt mit dem Gefühl, dass man viel tun kann, dann sind solche Menschen mit einem hohen Selbstvertrauen von gro-ßem Wert für die Gruppe. Menschen, die viel für die Gemeinschaft leisten, haben ein hohes „Selbstwertgefühl“. Sie sind wertvoll für die Gemeinschaft!
Und das Gefühl, dass man wertvoll ist für die Gemeinschaft, heißt „Stolz“. (Dieser Begriff hat etwas demonstrativ-theatralisches; Stolz zeigt man! Zum Beispiel durch eine aufrechte Körperhaltung und damit, dass man „furchtlos“ in die Gegend schaut und den Leuten „offen“ ins Gesicht sieht! Oder sich eine Uniform anzieht mit breiten Epauletten; die zeigen Stärke! –Übrigens: für die Demonstration eines hohen Selbstbewusstseins gibt es auch zivile „Uniformen“. Gucken Sie sich mal die Männermode an! „Kompetenzuniformen“!
Stolz und Ehre bilden ein Begriffspaar;
Stolz ist das Gefühl, dass man etwas tun kann für die Gemeinschaft, bzw dass man etwas getan hat, bzw. bereit ist, etwas zu tun. Man hat eingezahlt auf das „Sozialkonto“, bzw. man ist bereit, einzuzahlen! – Der französische Philo-soph Bourdieu sagt uns, dass ‚Ehre‘ eine Bezeichnung für ein „Sozialkonto“ ist. Man „zahlt ein“, indem man etwas für die Gruppe tut (oder auch nur die Bereit-schaft dafür signalisiert; das zu machen).
Und Ehre bedeutet, dass die Gemeinschaft das gefälligst zu honorieren hat. Stolz ist die Einzahlung auf das Konto, bzw. die Absicht, dass man einzahlen will. Und Ehre ist die Auszahlung! Bzw. das Konto, bzw. der Kontostand. Ehre bedeutet: Ich habe viel für die Gemeinschaft getan! Bzw. ich bin bereit viel für die Gemeinschaft zu tun! Mein Leben für sie hinzugeben! Aber nun hat gefäl-ligst die Gemeinschaft die Pflicht, auch für mich etwas zu tun. Sie muss mich ehren, zum Beispiel zum Dr. h.c. machen! Oder mir das Bundesverdienstkreuz verleihen. Auf jeden Fall kann ich von der Gemeinschaft Hilfe erwarten! (Und das macht mich stark!)
Deshalb ist „Ehre“ sehr wichtig. Und der Angriff auf die Ehre bedeutet eine Gefahr: „Bankräuber“! Das Konto wird geleert! Eine Beleidigung zum Beispiel setzt (wenn sie geglaubt wird) das Ausmaß, in welchem die Gruppe Schutz und Hilfe gibt, herab. Und das kann gefährlich werden. Keiner Hilfe mehr! – Und deshalb duellierten sich früher (soll‘s auch heute noch geben!) Leute, wenn sie sich in ihrer Ehre angegriffen fühlten. Sie setzen also ihr Leben für ihre Ehre ein! Heute klingt das vielleicht etwas altmodisch, zeigt aber, welch‘ hoher Wert der sozialen Einbindung zugemessen wurde (und wird).
Oder auch nicht! Dem „Aussteiger“ ist seine Ehre wurscht! Er will sie nicht!
„Was geh‘n euch meine Lumpen an
Es hängen Freud‘ und Tränen dran,
Was kümmert euch denn mein Gesicht?
Ich brauche euer Mitleid nicht!“
Ich sch… auf die Ehre! Das ist das „Tanzlied des Totenschiffes“ von B. Traven. Und? Was folgt daraus? Ich steige aus, ihr interessiert mich nicht mehr, ich bin in einer anderen Gemeinschaft. Oder auch in gar keiner!
Das klingt gefährlich. Und das ist es auch! Solchen Menschen ist alles zuzu-trauen. Sie haben den Gesellschaftsvertrag gekündigt! Der Boheme, den Ha-lunken, Zigeunern, Vagabunden, usw. kann man nicht vertrauen. Sie haben keine Ehre, man muss sich vor ihnen in Acht nehmen. – Auf der anderen Seite wirken solche Leute oft attraktiv. Sie werden ob ihrer Freiheit beneidet. Sie brechen die Normen und dadurch werden oft neue Wege sichtbar. – Solche Leute werden auch oft beneidet und haben durchaus eine Funktion für die Ge-sellschaft. Man könnte behaupten: die Gesellschaft braucht einen „ehrlosen“ Rand.
Übrigens, in diesem Zusammenhang: was bedeutet es, wenn Mädchen Löcher in ihre Jeans schneiden? – „Was geh'n euch meine Lumpen an …!“ Freiheit von den Normen! Das gehört zu den immer wieder sich gegen die Normen der jeweiligen „Erwachsenenwelt" auflehnenden Jugendbewegungen („Wandervogel", "Bündische Jugend", „Studentenrevolution“, „Greta Thunberg“, usw.). Übrigens: wenn Sie solche Jugendbewegungen generell hoch schätzen, so haben sie recht! Insofern, als solche Bewegungen immer wieder die jeweiligen Normen aufmischen, was heilsam sein kann. Nicht vergessen aber sollte man dabei, dass zum Beispiel die Nazis in den dreißiger Jahren sehr wesentlich eine Jugendbewegung waren! (Nachzulesen beispielsweise bei Fest: "Hitler, eine Biografie!", S. 404f.)
Selbstvertrauen ist natürlich auch sehr bedeutsam für die psychische Gesund-heit. Mit einem hohen Selbstvertrauen fühlt man sich besser; die Zukunft sieht rosig aus, da man alle Probleme lösen kann. Und ein niedriges Selbstbewusst-sein? Depression, Suizid! Weil: man kann nichts machen!
Manche Leute haben ein sehr instabiles Selbstvertrauen. Dies verfällt einfach schnell. Und das bedeutet, dass solche Menschen ständig etwas tun müssen, um ihr Selbstbewusstsein wieder auf eine brauchbare Höhe zu bringen. Solche Leute sind also "ehrgeizig", müssen ständig etwas tun, möglichst große Dinge in Angriff nehmen.
Was soll das? Man könnte sagen, das ist eine tolle Methode, um die Menschen in Bewegung zu halten, sie explorativ zu halten, sie dazu zu bringen, immer etwas Neues und damit auch etwas Riskantes zu tun. Solche Menschen sind abenteuerlustig. Oder sie sind nie mit sich zufrieden, sondern üben immer weiter, um die Sonata 3 in C-Dur von Johann Sebastian Bach immer perfekter spielen zu können. – Guter Trick der Natur! Leider aber hat die „Ehrgier“ auch negative – man kann sagen: oft mörderische – Folgen! – Personen (meist Männer) mit einem wackeligen Selbstvertrauen, die es nicht schaffen, ihren Ichstärke-Tank nachhaltig zu füllen, fühlen sich ständig in ihrer Ehre angegriffen. Sie entarten deshalb leicht zu „Großen Männern“. Und die können gefährlich werden, sogar sehr gefährlich. Eindrücklich beschreibt dies der römische Schriftsteller Sueton (ca. 100 n. Chr.) in seinem Buch ‚Cäsarenleben‘.
Die Akteure dieses Buches kennen Sie alle: Nero, Caligula, Tiberius, usw.. Diese „großen Männer“ sind aber keineswegs ausgestorben, wie es uns der augenblickliche amerikanische Präsident Donald Trump eindrucksvoll vor Au-gen führt. Und Trump ist keineswegs der einzige Nachfahre der römischen Cäsaren; man findet viele andere – gucken Sie sich mal um! – Übrigens: „Große Männer“ müssen nicht notwendigerweise nur Unheil bringen; unter bestimmten Umständen sind sie sehr nützlich und brauchbar! Man sollte sie aber nicht zu „Regenten“ (Präsidenten, Bundeskanzlerinnen, usw.) machen. Das wusste schon Platon, der in der Politeia meinte: „Das Wahre daran ist aber dieses: der Staat, in welchem die zur Regierung Berufenen am wenigsten Lust haben zu regieren, wird notwendig am besten und ruhigsten verwaltet werden, der aber entgegengesetzte Regenten bekommen hat, auch entgegen-gesetzt.“ (Platon: Der Staat VII, 520 c, d)
So also sieht das aus. Das Selbstvertrauen spielt eine zentrale Rolle für das psychische Geschehen, also auch für die Organisation des Handelns. Natürlich hängt das Selbstvertrauen sehr eng zusammen mit den Emotionen; für Furcht, Angst, Mut ist das offenbar.
Wir wollen in diesem Seminar die verschiedenen Wirkungen eines hohen bzw. eines angeschlagenen Selbstvertrauens untersuchen. Folgende Themen wol-len wir behandeln:
1. Was ist das: Selbstvertrauen?
2. Eine Theorie der „Kompetenz“
3. Selbstvertrauen, Kultur, Religion und Ideologie
4. Selbstvertrauen und Handeln
Und diese Kapitel werden wir noch in Unterkapitel zerlegen. Aber das kommt später, zusammen mit einer Literaturangabe.
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