3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters

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Kurs: Rivalisierende Männlichkeiten
Buch: 3. Verbindung des Objekts zur Literatur des Mittelalters
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Datum: Montag, 6. Mai 2024, 03:56

Beschreibung

In diesem "Buch" wird das Objekt zu verschiedenen Werken der deutschen Literatur des Mittelalters in Bezug gesetzt.

1. Hartmanns von Aue Gregorius

Hartmanns von Aue Gregorius ist eine legendarische Dichtung über den guten Sünder Gregorius. Sein Leben beginnt bereits mit Sünde, denn er entsteht durch einen Inzest.

Da seine Eltern, ein königliches Geschwisterpaar, die prekäre Situation erkennen und nichts an die Öffentlichkeit dringen soll, geht der Vater auf Kreuzzug, um sein Vergehen zu sühnen, stirbt aber an Herzschmerz, weil er seine Schwester so sehr vermisst.

Nach Gregorius Geburt legt seine Mutter ihn in ein Fass, gibt ihm eine elfenbeinerne Tafel, auf der sie die Umstände festhält, Gold und einen Stoff, und setzt die Barke auf das Meer. Gregorius wird von Fischern gefunden, die ihn zu ihrem Abt bringen, der sich fortan, zusammen mit einer Fischerfamilie, um die Erziehung des Kindes kümmert. Im Alter von fünfzehn Jahren erfährt Gregorius, dass er ein Findelkind ist....


Literatur:

Hartmann von Aue: Gregorius. Hrsg. v.: Hermann Paul. Neubearbeitet v.: Burghart Wachinger. 15. Auflage. Tübingen 2004 (=ATB 2).
Hartmann von Aue: Gregorius; Der arme Heinrich; Iwein. Hrsg. v.: Volker Mertens. Frankfurt a.M. 2004.
Hafner, Susanne: Maskulinität in der höfischen Erzählliteratur. Frankfurt a.M. 2004.

1.1. Gregorius der Ritter

Daraufhin entschließt er sich, Ritter zu werden, durch die Länder zu reisen uHartmann von Aue, Miniatur aus der "Manessischen Liederhandschrift"nd sich eventuell seiner Herkunft gewiss zu werden. Der Abt ist darüber zwar etwas enttäuscht, da er ihn bereits in einem kirchlichen Amt sah, lässt ihn aber ziehen.

a)Grêgôrius antwurte im dô:               Gregorius antwortet ihm darauf:

„ritterschaft daz ist ein leben,            „So eine Lebensform ist die Ritterschaft,

der im die mâze kann gegeben,         wenn einer sie richtig erfüllen kann,

sô enmac nieman baz genesen.        wird er ebenso gerettet wie jeder andere.

er mac gotes ritter gerner wesen,       Lieber wird er Gottes Ritter sein

Danne ein betrogen klôsterman.“       als ein falscher Mönch.“

Gregorius V. 1530 – 1535

 


Hier erkennt man die erste Parallele zu Papst Gregor I., denn auch er wollte anfangs eine weltliche Karriere einschlagen und hatte bereits das Amt des praefectus urbanus inne, bevor er sich dazu entschloss, ein Kloster zu gründen und selbst Mönch zu werden.


Literatur:

Hartmann von Aue: Gregorius. Hrsg. v.: Hermann Paul. Neubearbeitet v.: Burghart Wachinger. 15. Auflage. Tübingen 2004 (=ATB 2).
Hartmann von Aue: Gregorius; Der arme Heinrich; Iwein. Hrsg. v.: Volker Mertens. Frankfurt a.M. 2004.
Hafner, Susanne: Maskulinität in der höfischen Erzählliteratur. Frankfurt a.M. 2004.

1.2. Gregorius als Einsiedler

Ehe Gregorius das Kloster endgültig verlässt, händigt der Abt ihm die Tafel aus, durch die er von seiner Abstammung und der Sünde seiner Eltern erfährt. Danach geht Gregorius noch entschlossener in die Welt, da er nun mehr über seine Herkunft herausfinden möchte.

Ziellos, nur auf Gotteshilfe vertrauend, sticht Gregorius in See und gelangt in ein Land, das unter den Angriffen eines gefährlichen Feindes leidet. Der Grund dafür ist die Situation der Herrscherin, sie ist jung, schön und unverheiratet, weshalb ihr der Beschützer der Herrschaft fehlt. Bei dieser Frau handelt es sich um Gregorius Mutter, wie der Leser erfährt, die Protagonisten erkennen sich jedoch nicht. Die beiden lernen sich kennen und finden sofort Gefallen aneinander. Deshalb bleibt Gregorius in der Burg, lernt das Ritterhandwerk, wird der beste Ritter und besiegt den Feind, der daraufhin verspricht, Land und Leute in Frieden zu lassen. Nach diesem Sieg kommt es zur Heirat zwischen Gregorius und der Landesherrin (seiner Mutter) und somit zum zweiten Inzest.

Beide ahnen nichts davon, bis die Mutter Gregorius Tafel findet, die sie selbst geschrieben hat. So wird ihr bewusst, dass ihr Ehemann ihr eigener Sohn ist und sie beide eine große Sünde auf sich geladen haben. Gregorius, der sofort von seiner Mutter benachrichtigt wird, weiß, da er beim Abt in den kirchlichen Lehren unterrichtet wurde, dass Gott ihnen vergibt, wenn sie ihre Sünden aufrichtig bereuen. Um Buße zu tun, verlässt er den Hof und zieht sich ärmliche Kleidung an. So trifft er auf einen Fischer, der ihm vom Felsen auf einer Insel im Meer berichtet, auf dem sich Gregorius dann von ihm anketten lässt. Der Schlüssel wird ins Meer geworfen, damit er ohne Hilfe nicht von dem Stein loskommt.

 

b)Der arme Grêgôrius,                   Der verlassene Gregorius

nû beleip er alsus                         blieb nun so

ûf dem wilden steine                     auf dem wilden Felsen,

aller gnâden eine.                         ohne jeden Trost.

 

Gregorius V. 3101 – 3104

 

Hier lässt sich die zweite Verbindung zu Papst Gregor aufzeigen: Zwar zieht er sich nicht aus der Öffentlichkeit zurück, um eine Schuld zu büßen, dennoch lebt er als Einsiedler, um näher zu Gott zu finden und sich der Aufgaben, die Gott für ihn bereithält, bewusst zu werden.

 


 

Literatur:

Hartmann von Aue: Gregorius. Hrsg. v.: Hermann Paul. Neubearbeitet v.: Burghart Wachinger. 15. Auflage. Tübingen 2004 (=ATB 2).

Hartmann von Aue: Gregorius; Der arme Heinrich; Iwein. Hrsg. v.: Volker Mertens. Frankfurt a.M. 2004.

Hafner, Susanne: Maskulinität in der höfischen Erzählliteratur. Frankfurt a.M. 2004.

1.3. Gregorius wird Papst

Während Gregorius, an den Fels gekettet, seine Sünden bereut, stirbt der Papst unPapst Gregor der Großed man kann sich nicht auf einen Nachfolger einigen. Zwei Kleriker träumen, dass eine Person auf einem Stein der neue Papst werden wird und begeben sich auf die Suche.

Sie kommen zum Haus des Fischers, der Gregorius an den Stein kettete. Er bewirtet die beiden gut gekleideten Männer mit dem besten Fisch. In diesem findet der Fischer den Schlüssel, der Gregorius Fesseln löst und den er ins Meer geworfen hatte. Der Fischer erzählt den Beiden von Gregorius, da er nun glaubt, dass er ohne Sünde ist, weil Gott den Schlüssel zurückgebracht hat.

Er zeigt den beiden Geistlichen den Weg zum Felsen, betont aber, dass Gregorius längst tot sein müsse. Als sie dort ankommen, finden sie zwar eine völlig abgemagerte erbarmungswürdige Gestalt, die jedoch noch am Leben ist und sich zudem noch seine Vitalität, Redekunst und Buchgelehrsamkeit bewahren konnte. Die Boten erklären Gregorius, dass er von Gott als Papst auserwählt wurde. Er kann es aber zunächst nicht glauben, da er von seiner großen Sünde überzeugt ist.

 

c)„sît ir kristen liute,                    „Wenn ihr Christen seid,

sô êret got hiute                          so erweist Gott heute die Ehre

und gât vil drâte von mir,              und geht eilends fort von mir,

wande ich der êren wol enbir        denn mir kommt es nicht zu,

daz mir diu gnâde iht geschehe    würdig erachtet zu werden,

daz ich iemen guoter ane sehe     gute Menschen anzusehen

mit sô süntlîchen ougen.              mit so sündigen Augen.

got enist daz niht tougen:             Gott ist das nicht verborgen:

mîn vleisch ist sô unreine             Mein Leib ist so befleckt,

daz ich billich eine                       daß ich zu Recht einsam

belîbe unz an mînen tôt.              lebe bis zu meinem Tod.

 

Gregorius V. 3505 – 3515

 

 

Diese Stelle lässt sich ebenso auf das Leben Papst Gregors I. übertragen, denn er wollte die Wahl des Volkes zunächst auch nicht annehmen, da er sich erst davon überzeugen wollte, dass er wahrhaftig von Gott erwählt wurde und nicht nur die Gunst des Volkes hat.

Hartmanns von Aue Gregorius handelt wie Papst Gregor I., denn auch er lehnt zunächst ab, als er aber durch das Auffinden des Schlüssels erkennt, dass Gott ihm verziehen hat, willigt er ein, der neue Papst zu werden. Seine Mutter, die vom neuen Papst erfährt, kommt zu ihm, um ihre Sünden zu beichten. Gregorius erkennt sie, gibt sich aber nicht zu erkennen. Erst als seine Mutter für ihren Sohn bittet und nach ihm fragt, zeigt Gregorius sich ihr.

Diese hier aufgezeigten Parallelen zur mittelhochdeutschen legendarischen Dichtung Gregorius sind in dem Gemälde nicht direkt sichtbar, bezieht man aber das Leben des Heiligen Papst Gregor mit ein, werden die Ähnlichkeiten sehr deutlich.

 


 

Literatur:

Hartmann von Aue: Gregorius. Hrsg. v.: Hermann Paul. Neubearbeitet v.: Burghart Wachinger. 15. Auflage. Tübingen 2004 (=ATB 2).

Hartmann von Aue: Gregorius; Der arme Heinrich; Iwein. Hrsg. v.: Volker Mertens. Frankfurt a.M. 2004.

Hafner, Susanne: Maskulinität in der höfischen Erzählliteratur. Frankfurt a.M. 2004.

2. Bezug zur deutschen Literatur des Mittelalters

Papst Gregor den Großen kann man mit zwei Werken der mittelhochdeutschen Literatur verknüpfen:

Zum einen mit Hartmanns von Aue Gregorius, bei dem bereits die Namensgleichheit auffällt und zum anderen mit Rudolfs von Ems Der guote Gêrhart.

3. Rudolfs von Ems Der guote Gêrhart

In Rudolfs von Ems Der guote Gêrhart finden sich keine so offensichtlichen Übereinstimmungen zwischen Papst Gregor I. und dem Protagonisten des mittelhochdeutschen Werkes, aber die Grundaussage, die diese Erzählung vermittelt, deckt sich mit den Wertanschauungen des Papstes.

Wie die Legenda aurea berichtet, sind Demut, Mildtätigkeit, Großzügigkeit und Gottesachtung für Gregor besonders wichtige Eigenschaften, die er auch von guten Christen fordert und die er immer wieder zu vermitteln sucht (Vgl. Erzählung über Brotbäckerin). Bereits der Prolog des guoten Gêrhart erklärt richtiges Verhalten, um zu Gott zu finden. Auch Papst Gregor I. legt diese Verhaltensweisen an den Tag, zum Beispiel verwendet er seinen Besitz dafür, um mehrere Klöster zu gründen. Rudolf von Ems sieht hierin eine Möglichkeit um auf den rechten Weg zu Gott zu kommen.

 

a) swer durch guot iht guotes tuot,             Wer auch immer durch Besitz, wegen der vortrefflichen Gesinnung des guten Herzen,

durch guotes herzen guoten muot,             irgendetwas Vortreffliches tut,        

wil er sich selben rüemen vil,                     will er sich selbst sehr rühmen,

sô jagt er ûf des ruomes zil                       so verjagt er das Ziel des Rühmens,

den ruom hinz an ein ende                        den Ruhm, mit solchem Unrecht,

mit solher missewende                             bis an ein Ende,

daz mit des ruomes missetât                    dass mit dem Unrecht des Rühmens

des guoten ruom an im zergât.                  das vortreffliche Lob an ihm endet.

Der guote Gêrhart, V. 11 – 18

 

 

Diese Einblicke in die deutsche Literatur des Mittelalters sollten zeigen, dass die Beschäftigung mit einem Gemälde aus dem 16. Jahrhundert, nicht nur die Kunstgeschichte oder Kunstwissenschaft einbeziehen sollte, sondern Disziplin übergreifend betrachtet werden kann, damit es zu einer ganzheitlichen Analyse des Kunstwerkes führt.


Literatur:

Rudolf von Ems: Der guote Gêrhart. Hrsg. v.: John A. Asher. 3. Auflage. Tübingen 1989 (=ATB 56).