3. Verbindung des Objekts zur Literatur im Mittelalter

1. dörper (Neidhart)

Die dörper oder vilains sind der Gegentypus zur männlichen Idealbild des Ritters, welcher hövsch d.h. höflich und hübsch ist.

Die Bauerntölpel werden in der Literatur als "ungehobelt","rau" und "ungebildet" dargestellt (Ehrismann, 50-52).

Sie sind gekennzeichnet "durch unpassende oder geckenhafte Aufmachung, durch grobes Benehmen bei Tanz, Spiel und

v.a. den Frauen gegenüber und durch exzessive Streitsucht" (Schweikle, 124) und können daher zur marginalisierten

Männlichkeit gezählt werden.

Dies illustriert Neidhart in seinen Liedern. Neidhart gilt als der erste, der das Leben der dörper im Kontrast zum höfischen Leben

zum Thema macht, und wird daher in der Forschung allgemein als Schaffer einer neuen Liedgattung, der 'dörperlichen Dichtung'

bzw. des 'Dörperlieds' angesehen. Besonders in den Winterliedern (WL), in denen es um den Tanz in Dorfstuben geht, charaktarisiert

Neidhart die Tölpel als schlecht gekleidet, der Minne unwürdig, frech (vgl. WL7,6) und gewalttätig (vgl. WL 8,4), so dass sie zu dem Grund

werden, warum er kein Glück mehr in der Liebe hat und sich schließlich von der Minne abwendet.


WINTERLIED 3, Vers 5

Sâht ir ie gebûren sô gemeiten,
als er ist?
wizze krist!
er ist al ze vorderst anme reien.
niuwen vezzel zweier hende breiten
hât sîn swert.
harte wert
dünket er sich sîner niuwen treien:
diust von kleinen vier und zweinzec
tuochen, di ermel gênt im ûf die hant:
sîn gewant
sol man an eim oeden kragen suochen.

 

Habt ihr je einen Bauern so keck gesehen,
wie er ist?
Weiß Gott!
Er ist beim Reigen stets der erste.
Einen neuen Gurt, zwei Hände breit,
hat sein Schwert.
Überaus vornehm
dünkt er sich wegen seines neuen Wamses. Das ist
aus vierundzwanzigerlei Flicken zusammengemustert.
Die Ärmel reichen ihm bis auf die Hand.
Solch Gewand
findet man gewöhnlich an Tölpels Halse

 

 

 

Bild: http://www.mediaevum.de/autoren/neidhart.htm 

 

WINTERLIED 6, Vers 6
Daz die dörper alle ein ander slüegen!
(daz lieze ich alsô hine gân;
wan si tuont mir vil ze widerdrieze:
ir üppikeit diust
sô grôz, daz ir die wîsen spottent über al)

                                                                                                   

    Möchten sich doch die Bauern alle gegenseitig
umbringen! (Das ließe ich gern hingehen,
denn sie machen mir viel Verdruss.
Ihre Aufgeblasenheit ist so groß,
dass sich alle Verständigen über sie lustig machen.)

 

 

Die dörper sind in den Liedern die Gegenspieler des lyrischen Ichs:

WINTERLIED 9, Vers 7

In der saelden pfat
ich noch leider nie getrat.
dâ ich ie genâden bat,
dâ verstiez mich mîner stat
ein gebûwer gogelsat.

 

Den Weg des Glücks
habe ich leider noch nie betreten.
Wo ich um Gunst je flehte,
da stieß mich beiseite
ein frecher Bauernlümmel.


 

An den Liedern Neidharts kann man sehr gut erkennen, dass die 'dörper' sich nicht an den vorherrschenden

Verhaltenskodex halten und daher als rüpelhafte Männer gelten, die keine Minne verdient haben und einem

Ritter weit unterlegen sind.

Dennoch stellen die 'dörper' gleichzeitig auch eine Bedrohung bzw. Konkurrenz für die Ritter - oder hier das lyrische Ich - dar.

 

 


Quelle:

Schweikle, Günther (Hg): Minnesang. 2. Aufl. Stuttgart 1995.

Weiterführende Literatur:

Ehrismann, Otfrid: Ehre und Mut Aventiure und Minne. Höfische Wortgeschichten aus dem Mittelalter. München 1995.