1. Kunst- und Kulturgeschichtliche Hintergrundinformation zum Objekt
Website: | Virtueller Campus: eLearning-System der Otto-Friedrich-Universität Bamberg |
Kurs: | Rivalisierende Männlichkeiten |
Buch: | 1. Kunst- und Kulturgeschichtliche Hintergrundinformation zum Objekt |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Donnerstag, 21. November 2024, 21:34 |
Beschreibung
Sebastian ist eine prominente Figur unter den Märtyrern. Er wurde immer für ein interessantes ästhetisches Motiv gehalten. Auffallend ist, dass er je nach Epoche auf verschiedene Weise abgebildet wurde.
1. Die Legenda aurea
Die Legenda aurea von Jacobus de Voragine überliefert, dass Sebastian 256 in Mailand geboren wurde und am Hof des Kaisers Dioklesian die Position eines höheren Militärs innehatte. Dort wurde er wegen seiner Schönheit und seines guten Benehmens geschätzt und zum Offizier der Leibwache befördert. Er verheimlichte seinen christlichen Glauben am Hof und benutzte seine Stellung, um notleidenden Christen zu helfen und sie zu bestärken, wie die Gebrüder Marcus und Marcellinus. Als Diokletian Sebastians Verrat erfuhr, ließ er ihn an einen Baum binden und von Bogenschützen erschießen. Man glaubte, er wäre tot, bis er wenige Tage später wieder gesund vor dem staunenden Kaiser stand. Daraufhin ließ Diokletian ihn mit Stöcken schlagen und seinen Leichnam in eine Kloake werfen. Sebastian erschien später einer Christin im Traum, die seinen leblosen Körper herausholte und 288 an der Via Appia in Rom bestattete.
Von dem ersten Martyrium des Heiligen Sebastian an wurde der Pfeil nicht nur als sein Heiligenattribut und Mittel seiner Folter angesehen, sondern auch als Symbol einer kommenden Krankheit. Da er die Pfeilschüsse überlebt hatte, wurde er als Schutzpatron gegen die Pest angerufen, als 1348 in Europa die Pest ausbrach.
Weiterführende Literatur:
Gemeinhardt, Peter: Die Heiligen. Von den frühchristlichen Märtyrern bis zur Gegenwart. München 2010.
Jacobus de Voragine: Die Legenda aurea. Heidelberg 1979.
Santiago de la Vorágine: La leyenda dorada. Madrid 1984.
2. Die Darstellung des Heiligen Sebastian im Mittelalter und in der Renaissance
Typisch für das Mittelalter ist seine Darstellung als Krieger mit zeigenössischer Rüstung, Schild, Helm und Schwert. Zu dieser Zeit erwähnt man seinen Rang als römischer Soldat und noch nicht sein Martyrium.
In der Frührenaissance tritt er als junger, schöner Mann auf, gering bekleidet und an einem Baum oder einer Säule angebunden. Diese Art von Darstellung passt besser zu der Legende und Nachfolge Christi [1], und wird von den Künstlern zur Anfertigung anatomischer Studien verwendet, in welchen Sebastian im Moment der Folter dargestellt wird, sein Leid zeigt und seine Muskeln anspannt. Im Laufe der Zeit kommen keine Knechte mehr vor und es wird immer mehr Wert auf die Anatomie des menschlischen Körpers gelegt.
Da man in dieser Epoche in der Malerei nach Harmonie, Gelassenheit und Idealgestalt strebt, erscheinen sein Gesichtsausdruck und Leib mehr und mehr entspannt. Ganz oft wird er wie Christus an einer antiken und zerfallenen Säule angebunden [2]. Solche Imitatio Christi gehört zum Wesen und Begriff des Heiligen und wird in der ganzen Renaissance thematisiert. In der Spätrenaissance spiegelt der Körper des Heiligen Sebastian Leid wieder und wird häufig zusammen mit einem Engel dargestellt, vom dem er die Krone des Märtyrertums als himmlischen Lohn bekommt, wie es auch im Rolandslied geschieht [3].
Gegen Ende des Jahrhunderts verlief der Bruch mit den harmonischen Konzepten.
Weiterführende Literatur:
Braun, Joseph: Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst. Berlin 1988.
Hadeln, Detlev: Die wichtigsten Darstellungsformen des Heiligen Sebastian in der italienischen Malerei bis zum Ausgang des Quattrocento. Strassburg 1906.
Réau, Louis: Iconographie de l’art chrétien. Paris 2000.
Réau, Louis: Iconografía del arte cristiano. Introducción general. Barcelona 2008.
Wittkower, Rudolf: Art and architecture in Italy, 1600 to 1750. Middlesex 1965.
Wittkower, Rudolf: Arte y arquitectura en Italia 1600-1750. Madrid 1989.
Bilder:
Bild oben links: Statue des Heiligen Sebastian aus dem 13. Jh in Münster, Westturm.
Braun, Joseph: Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst. Berlin 1988.
Bild mitte rechts: Gemälde von Hans Holbein der Ältere, Sebastiansaltar: Martyrium des Heiligen Sebastian, 1516.
http://www.pinakothek.de/hans-holbein-d-ae/sebastiansaltar-martyrium-des-hl-sebastian
Bild unten links: Gemälde von Perugino, Sebastian, 1478.
http://www.flickr.com/photos/savasir/3116594963/
[1] Gemälde von Luca Signorelli, Geißelung Christi, 1508.
http://www.kulturstiftung.de/aufgaben/kur-programm/
[2] Skulptur von Gregorio Fernández, Cristo atado a la columna, 1619.
http://www.lahornacina.com/seleccionesflagellavit15.htm
[3] Gemälde von Giovanni Bazzi Sodoma, Der heilige Sebastian, 1525.
http://www.reprodart.com/a/bazzi-giovanni/san-sebastian-2.html
3. Die Darstellung des Heiligen Sebastian im Barock
Titel: Martyrium des Hl. Sebastian (Gemälde) Inv.-nr.: 192 (Historisches Museum Bamberg) Material: Leinwand, vergoldeter Holzrahmen Maße: H:162, B: 114 (cm) Handwerkl/künstl Herkunft: Schule bzw. Nachfolge des Lodovico Carracci (Bologna 1555-1619) |
Dieses Gemälde lässt sich dem Manierismus und Barock zuordnen und stammt aus der Schule des Lodovico Carraccis, die von Caravaggio beeinflusst war.
Kennzeichend für die manieristische Kunst ist die Darstellung von verlängerten Figuren in unnatürlichen Kompositionen, in extravaganten Körperbewegungen und Verdrehungen. Nicht selten finden sich perspektivische Verkürzungen und Wellenformen, welche die Ideen von Dynamik und Dramatismus verstärken. Kontraststärke der Farben, Licht und Schatten sind ebenfalls für die Malerei dieser Epoche charakteristisch: In diesem Gemälde ist die linke Seite ganz dunkel. Deshalb richtet sich die Aufmerksamkeit auf die rechte, wo der Heilige Sebastian quasi wie von einem Scheinwerfer angestrahlt auftaucht.
Er tritt als jugendlich schöner, bärtiger Mann, mit einem Lendenschurz bekleidet auf. Die Anspannung seiner Muskeln wird eindrucksvoll und dynamisch gezeigt. Außerdem wird er von zwei Pfeilen durchbohrt, was als Hinweis auf die zwei Martyrien gelten dürfte. Ohne Widerstand zu leisten und mit dem Blick nach oben, zu Gott, nimmt er sein Schicksal in Kauf.
Die Knechte erscheinen in Barockkleidung: Der eine trägt einen Bogen und zwei Pfeile und schaut den Betrachter an, um die Szene mit Theatratik und Dynamik zu versehen; der andere bindet den Heiligen Sebastian los. Die zwei Figuren könnten auf das jüdische Volk und die Römer anspielen, welche sowohl an der Passion als auch an dem Martyrium des Heiligen Sebastian teilnahmen.
Weiterführende Literatur:
Braun, Joseph: Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst. Berlin 1988.
Hadeln, Detlev: Die wichtigsten Darstellungsformen des Heiligen Sebastian in der italienischen Malerei bis zum Ausgang des Quattrocento. Strassburg 1906.
Réau, Louis: Iconographie de l’art chrétien. Paris 2000.
Réau, Louis: Iconografía del arte cristiano. Introducción general. Barcelona 2008.
Wittkower, Rudolf: Art and architecture in Italy, 1600 to 1750. Middlesex 1965.
Wittkower, Rudolf: Arte y arquitectura en Italia 1600-1750. Madrid 1989.