Verbindung zur Literatur des Mittelalters und die Männlichkeitskonstruktionen um Heinrich II.

4. Hegemoniale Männlichkeit - Der gottesfürchtige Herrscher

"The manner in which duty and responsibility could influence and define gender was perhaps nowhere as central as in the role and image of the king. At this highest level of society, the expectations and imperatives to manliness, masculine prowess and bravery, patriarchal authority, sapiental wisdom and good governance all intersected." (Jacqueline Murray)1

 Im dritten Vers der Legende, der nach Prolog und 'Bitte um Fürbitte' des Dichters an das Heiligenpaar folgt, wird Heinrich mit der Zuschreibung vieler Tugenden und Attribute überhöht. Die Legende setzt sogleich bei der Krönung Heinrichs zum ostfränkischen Herrscher ein. Die Wahl Heinrichs als Nachfolger Ottos III. wird als reibungs- und konkurrenzlose Entscheidung unter göttlichem Beistand beschrieben - in Wahrheit 'übernimmt' Heinrich eigenmächtig Leiche und Reichsinsignien Ottos III. - und ein kohärentes Herrscherideal wird entworfen. Heinrich, edel, voller gotesvorht und wîsheit, dem Transzendenten zugewandt in seinem Dasein als Christ und gotes kneht:


 

V 165 – 176

sie taten wol, die diesen degen

an daz riche brahten;

vil wol sie dran gedahten;

er was dem riche edel gnuoc

von aller guoten siten gesuoc,

der heiligen wîsheit begin

vazzet er vaste in sinen sin:

diz ist der gotesvorhte tugent,

der phlag er ie von siner jugent,

darnach hat er sich wol gekart,

der schrift was er wol gelart,

an dem glouben was er gar reht,

ein kristen unde gotes kneht.

 

 


ff


 

 

 

 

„Die den Herzog Heinrich

zum König machten,

handelten sehr bedacht.

Sein edler Anstand war einem

Herrscher über das Reich angemessen,

und er war auch erfüllt

von der göttlichen Weisheit,

der Tugend der Gottesfrucht,

die ihm von Kind an eigen war.

Er kannte sich in der Hl Schrift aus

und war ein frommer Christ und Diener Gottes.“

 

 



 

Der König und spätere Kaiser Heinrich steht an der Spitze der Ordnung. In den Erwartungen an den Herrscher, in der Absegnung der Eigenschaften und Tugenden, die dem "Reich angemessen" sind, formuliert sich ein Männlichkeitsideal, welches der Herrscher verkörpert und welches an ihm abgelesen werden kann.


1 zitiert nach: Lewis, S. 158.