Einführung: Was ist Realistisches Erzählen? (Buch)

Was ist Realistisches Erzählen?

Metonymie

Realistische Textverfahren sind immer metonymische Textverfahren. Metonymie ist Ihnen vermutlich als rhetorische Stilfigur bzw. Tropus bekannt. Im Kontext realistischen Erzählens handelt es sich allerdings nicht um einzelne Tropen, die etwas im Text hervorheben, vielmehr verfährt der gesamte Text metonymisch.

Hier finden Sie einen Lexikonartikel zur Metonymie. [Im eigentlichen Kurs finden Sie an dieser Stelle den Textausschnitt als Scan verlinkt. In der Demo-Version ist dies aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich.] Bitte lesen Sie sich diesen aufmerksam durch. Das wohl wichtigste Kennzeichen der Metonymie ist, dass sie nicht wie eine Metapher nur in Ähnlichkeitsrelation zu dem zu ersetzenden Begriff steht, sondern in einer realen Beziehung.


Die Metonymie ersetzt folglich das eigentlich Gemeinte durch einen Begriff aus demselben Vorstellungsrahmen (Frame). Lesen wir beispielweise in der Zeitung eine Meldung wie „Das Weiße Haus hat verlauten lassen, dass ...“, so verstehen wir automatisch, dass selbstverständlich nicht tatsächlich das Weiße Haus etwas hat verlauten lassen, sondern der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der seinen Sitz im Weißen Haus hat. Es handelt sich um eine Metonymie, da das Weiße Haus einen realweltlichen Bezug zum Präsidenten hat. Auch bei dem Satz „London tritt aus der EU aus“ ist uns klar, dass London für das gesamte Vereinigte Königreich steht, der realweltliche Bezug ist offensichtlich. Auch hier ist das Verständnis automatisiert, unser Gehirn stellt die Verbindung beim Lesen ganz selbstverständlich her, ohne, dass wir darüber nachdenken müssten. 

Sie sehen also, wie ähnlich die Definition metonymischer und realistischer Erzählverfahren ist. Der Kernpunkt ist stets ein einfaches Textverständnis auf Basis von kulturellem Wissen, welches im Lektürevorgang automatisch abgerufen und mit Informationen aus dem Text problemlos verknüpft werden kann.